Lockende Versuchung
kleine Aufmerksamkeit zu übergeben.“ Mit diesen Worten legte Edmund ein Päckchen auf die mit Intarsien verzierte Platte des Sekretärs.
Als sich bei dieser Gelegenheit ihre Blicke im Spiegel trafen, sah Julianna widerstrebend zur Seite. „Ein besonderer Tag?“, erkundigte sie sich mit einer Stimme, die ihr, hoch und atemlos, fremd in den Ohren klang.
Ein Lächeln voller gutmütigen Spottes erschien auf Edmunds Lippen, und Julianna hatte dabei den Eindruck, als ströme ihr Blut warm und süß durch die Adern.
„Wie schnell du vergisst. Heute ist unser erster Hochzeitstag, und du sollst deshalb dieses bescheidene Andenken von mir entgegennehmen.“
Wie konnte mir das nur aus dem Gedächtnis schwinden, fragte sich Julianna hilflos, während ihre Gedanken zu jenem Augenblick zurückwanderten, da sie vor eben diesem Spiegel gesessen und bei der Aussicht, in Kürze das Bett mit einem Fremden teilen zu müssen, der vor wenigen Stunden vor Gott und der Welt ihr Ehegemahl geworden war, am ganzen Körper erzitterte. Wenn sie damals nur geahnt hätte, was sie einmal für Edmund empfinden würde, wäre es ihr bestimmt nicht in den Sinn gekommen, sich in ihrer Hochzeitsnacht von ihm zu trennen.
Mit unsicheren Fingern öffnete sie das Etui. In Samt gebettet lag eine Perlenkette darin mit den größten, leuchtendsten cremefarbenen Perlen, die sie je gesehen hatte! Sie umgab zwei Ohrgehänge aus je einer großen runden und einer daran befestigten tropfenförmigen Perle. Julianna konnte einen Ausruf der Bewunderung angesichts der Schönheit und des Wertes dieses Kleinods nicht unterdrücken, und es kostete sie große Überwindung, ihren Blick wieder auf Edmund zu richten, und sei es auch nur auf sein Spiegelbild.
„Edmund … ich danke dir.“ Ihre Stimme war heiser. „Ich … ich finde keine Worte.“
„Es sind einige der besten aus den Gewässern um die Sundainseln“, erklärte Edmund voller Befriedigung über Juliannas unverhüllte Freude. „Darf ich?“ Er wies auf das Etui.
„Bitte“, flüsterte Julianna. Mehr wagte sie nicht zu sagen.
Vorsichtig befestigte Edmund die Ohrgehänge an ihren rosigen Ohrläppchen. Dann lag die Kette kühl auf ihrem Nacken, während Edmund den Verschluss ineinanderschob und dabei seine Hände auf ihren Schultern ruhen ließ. Ohne nachzudenken, hob Julianna die Hände, um sie auf die seinen zu legen und sie fest an ihren vor Verlangen bebenden Körper zu drücken. Doch siekam einen Herzschlag zu spät. Bevor sie ihren Wunsch in die Tat umsetzen konnte, war die Kette geschlossen, und Edmund zog seine Hände zurück.
Der Schmuck passte hervorragend zu ihrem Gewand, und Julianna wusste, dass sie ihn immer hoch in Ehren halten würde. Aber sie würde ihn auch weggeben, ohne mit der Wimper zu zucken, für einen einzigen Kuss von Edmund.
„Steh auf Mädchen, damit man die ganze Wirkung einschätzen kann.“
Juliannas Spannung entlud sich in einem nervösen Lachen. Sie erhob sich und gab ihrem Rock einen kleinen koketten Schwung. Edmunds Miene und sein hingerissenes Kopfschütteln machten seine Begeisterung offenkundig.
„Nun, welchen denkt Ihr, Ma’am?“ Gwenyth kam ins Zimmer gestürzt mit zwei Abendcapes in den Händen. „Oh, entschuldigt, Sir … Mylady. Ich werde sie beide hierlassen, ja?“
„Nein, Gwenyth“, erwiderte Julianna. „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich nehme den Samtumhang.“
Edmund betrachtete seine schöne junge Frau. „Wenn Makepeace und seine Freunde von den Whigs dir heute Abend schöne Augen machen, werde ich keine Minute zögern, mich für das Parlament zu bewerben … allein für die Genugtuung, Euer Gnaden in der Damengalerie zu sehen.“
Julianna warf ihrem Gemahl einen verwunderten Blick zu. „Für das Parlament? Ist das dein Ernst, Edmund?“
Edmund nickte. „Langston Carew hat mir heute im Chapterhouse aufgelauert, um mir diesen Vorschlag zu unterbreiten.“
„Wie wundervoll!“ Julianna kramte in einer ihrer Truhen nach dem passenden Fächer. „Du hast natürlich zugesagt?“
„Meinst du, ich sollte darauf eingehen?“ Fürsorglich legte Edmund seiner Gemahlin das Samtcape um die Schultern. „Ich muss gestehen, ich habe mir nie vorgestellt, Politiker zu werden.“
Impulsiv ergriff Julianna seine Hände. „Aber bedenke doch, wie viel Gutes du tun könntest! Für die Findelkinder. Für die Hospitäler. Ein einzelner kann die sozialen Missstände nicht aus der Welt schaffen. Das Land braucht Männer wie dich, die ihm den Weg
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