Lockende Versuchung
zurückgezogener Lebensstil. Doch den hast du ja dank deiner reizenden jungen Gemahlin mittlerweile auch überwunden. Sie wollen dich wirklich haben, alter Freund, und ich für meinen Teil kann sie deswegen nicht tadeln. Lehne es nicht ab, ohne reiflich darüber nachzudenken.“
„Also gut, Langston, ich werde mir diesen Vorschlag so ernsthaft durch den Kopf gehen lassen, wie er es verdient. Doch nun musst du mich entschuldigen, sofern du nicht noch weitere welterschütternde Neuigkeiten mitzuteilen hast. Wir sind heute Abend eingeladen, und ich habe zuvor noch etwas zu erledigen.“
Carew rückte sich die Perücke gerade. „In Ordnung, geh schon. Und, wie gesagt, überlege es dir. Ich würde es großartig finden, wenn du deinen scharfen Verstand auf die langweiligen Hunde loslassen würdest.“ Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Übermittle bitte deiner fair lady meine inbrünstigen Grüße.“
Edmund musste über Carews abschließende Bemerkung noch lachen, als er bereits über die Ave Mary Lane zu einem der besten Juweliere Londons eilte. Am heutigen Tage war es nämlich genau ein Jahr her, dass Julianna in sein Leben getreten war, die inzwischen sein Herz erobert hatte. Dieser Jahrestag mochte für seine junge Gemahlin keine besondere Bedeutung haben, aber Edmund wollte ihn dennoch nicht ohne eine kleine Aufmerksamkeit vorübergehen lassen.
Der Juwelier klemmte das Einglas in das rechte Auge, um sein Kunstwerk noch einmal in Augenschein zu nehmen, ehe er es Edmund überreichte. „Es ist die schönste Serie nahezu einheitlicher Perlen, die ich je in Händen hatte, Sir. Paarweise gefasst oder in kleinen Partien würden sie Euch eine gewaltige Summe einbringen.“
Doch Edmund schüttelte abwehrend den Kopf. „Der Wert einer tugendhaften und liebenswerten Frau ist weitaus höher als alle Perlen der Welt.“
Seufzend schloss der Juwelier das mit dunkelblauem Samt ausgeschlagene Etui und händigte es Edmund aus. „Ihr seid glücklich zu preisen, Sir, wenn Ihr eine Gemahlin habt, der ein solcher Schmuck gebührt.“
Während sich Edmund mit einem höflichen Neigen des Kopfes für die Artigkeit des Juweliers bedankte, spürte er, wie er von einer merkwürdigen Unruhe erfasst wurde.
Julianna erschien es außerordentlich schwierig, aus den eleganten Gewändern, die Madame Mercier pünktlich fertiggestellt hatte, das passende für den heutigen Abend auszuwählen. Mr undMrs Makepeace, Freunde von Vanessa, hatten das Ehepaar Fitzhugh zum Dinner eingeladen. Nach eingehender Beratung mit Gwenyth entschied sie sich für ein buttergelbes Seidenkleid mit einem gold- und champagnerfarben gestreiften Untergewand. Ihr dichtes gelocktes Haar hatte Gwenyth raffiniert aufgesteckt und in Stirn und Schläfen kleine Strähnen gezupft, die das Gesicht auf eine reizende Weise umrahmten. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel war Julianna überzeugt, dass sie der verwitweten Countess of Sutton-Courtney in keiner Weise nachstand.
Während Gwenyth im Ankleidezimmer nach einem passenden Umhang suchte, schaute Julianna ratlos in ihre Schmuckschatulle. Der Smaragdanhänger passte farblich überhaupt nicht zu ihrem Kleid und erinnerte sie zudem ständig an ihren inneren Zwiespalt. Da er Crispins Porträt enthielt, kam sie sich heuchlerisch vor, wenn sie ihn trug, und fühlte sich schuldbewusst, wenn sie ihn ablegte.
Als sie eine Tür klappen hörte, rief sie: „Hoffentlich hast du mehrere Umhänge mitgebracht, Gwenyth, denn ich weiß noch gar nicht …“
Doch als sie im Spiegel Edmund statt des Mädchens im Türrahmen erblickte, hielt sie verwirrt inne. Ihr Gemahl sah einfach wundervoll aus in einem Rock aus schwarzem, golddurchwirkten Brokat, einer einfarbigen Weste und schwarzen Kniehosen. Sie würden ein beeindruckendes Paar abgeben!
„Du willst mir wohl wieder helfen, die Haken am Mieder zu schließen? Oder wirst du nur die beständigen Klagen der Ehemänner vorbringen, dass ihre Gemahlinnen zu viel Zeit brauchen, um sich anzuziehen?“ Julianna versuchte, unbefangen zu erscheinen. Nichtsdestoweniger rief die Tatsache, dass Edmund hier in ihren Privatgemächern, noch dazu bei gedämpften Kerzenlicht, vor ihr stand, ein beschwingtes Gefühl in ihr hervor.
„Kein Zeitaufwand kann zu groß sein, wenn das Ergebnis so hinreißend ist. Ich habe auch keineswegs die Absicht, deiner Zofe die Arbeit abzunehmen. Mein Besuch hat den Zweck, dich daran zu erinnern, was heute für ein Tag ist, und dir aus diesem Anlass eine
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