Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
nichts für Edgar, aber für mich. Wir handeln, je nach Länge des Aufsatzes. Da springen für mich meistens eine „Micky Maus“, ein „Phantom“ und ein „Tarzan“ raus.
Ich bemühe mich jetzt, die Aufsätze mehr aus seiner Sicht zu schreiben, weil es neulich furchtbaren Ärger gab. Das kam so: Wir sollten über den ersten Schnee was schreiben. Die meisten hatten nur eine dreiviertel Seite im Heft. Ich hatte aber vier Seiten geschrieben und für Edgar auch.
Es war ja auch ein toller Tag gewesen, als der erste Schnee fiel. Es schneite dauernd und soviel, dass wir gleich am ersten Tag am Damm Schlitten gefahren sind. Naja, das habe ich halt alles so in meinem Aufsatz erzählt und in Edgars auch. Natürlich habe ich es etwas abgeändert und er hat seine Version ja auch selbst abgeschrieben. Als Herr Löwer uns die Aufsatzhefte zurückgegeben hat, meinte er, die Arbeit sei nicht besonders gut ausgefallen. Die meisten hatten eine Vier, weil sie nur belangloses Zeug geschrieben hatten, und nichts über ihre Erlebnisse am Tag des ersten Schnees.
„Da habe ich hier zwei Aufsätze, die genau das Gegenteil von Euren sind. Ich lese Euch jetzt mal vor, wie man auch über den ersten Schnee einen guten Aufsatz schreiben kann.“ Er hat Edgars Aufsatz vorgelesen. Der ist ganz rot geworden, als er ihn erkannte. Zum Schluss fragte unser Lehrer: „Wer, glaubt Ihr wohl, hat diesen Aufsatz geschrieben?“ Niemand meldete sich. „Das ratet Ihr nie! Geschrieben wurde der Aufsatz von Edgar Mohr.“ Er machte eine kunstvolle Pause. Edgar wurde noch mehr rot, weil ihn jetzt alle anstarrten. „Ich sagte: geschrieben“, fuhr Herr Löwer fort. Er blies eine seiner dünnen Haarsträhnen aus der Stirn. „Besser gesagt: abgeschrieben. Der Aufsatz stammt nämlich von Ulrike Scholl. Nicht wahr, Ulrike?“ Dabei hat er mich richtig durchbohrend angesehen. Ich habe auf meine Schuhe geschaut und festgestellt, dass meine Schuhspitzen ganz abgestoßen sind vom Hüpfkästchenspielen. „Nicht wahr, Ulrike?“
Ich hätte jetzt so gern die Masern gehabt oder wäre ganz weit fort gewesen. Ich habe wieder auf meine zerschundenen Schuhe geschaut und dabei krampfhaft überlegt, was ich sagen soll. Edgar konnte das mit dem Aufsatz doch nicht gepetzt haben, denn dann wäre er selbst dran gewesen und sonst wusste ja niemand was davon. Höchstens Paul kann sich das denken, weil ich ja auch manchmal für ihn einen Aufsatz schreibe. Aber da mache ich es umsonst, er hat ja auch keine Heftchen. Aber Paul würde mich nie verraten. Da hörte ich auf einmal von ganz weit weg Edgar sagen: „Ich habe Ulli gefragt, was man so schreiben könnte. Da hat sie mich drauf gebracht, über unsere wirklichen Erlebnisse beim ersten Schnee zu schreiben. Das ist alles, Herr Löwer, wirklich!“
Das war richtig heldenhaft von Edgar. Ich hätte ihm so was gar nicht zugetraut, da er in der Schule ja meistens recht still ist. Er hat unserem Lehrer dabei sogar in die Augen gesehen, obwohl er immer noch so rot wie eine Tomate war.
„Ich kenne meine Pappenheimer“, antwortete Herr Löwer. „Wie kommt es dann, dass Ulrikes Aufsatz und Deiner sich so ähnlich sind wie Geschwister? Schade um die schönen Aufsätze. Beide hätten eine glatte Zwei verdient. Jetzt kann ich sie leider nicht benoten. Das bedeutet, dass ich Euch beiden eine Fünf im Klassenbuch verpassen muss.“
Was habe ich mich geärgert.
Auf dem Heimweg hat Edgar Mohr außerdem noch rumgezetert: „Eine Fünf kann ich auch allein schreiben, dazu hätte ich Dich nicht gebraucht!“
Der Horcher an der Wand
Meine Schwester ist sehr gut im Tischtennis. Sie spielt sehr viel Doppel mit Angelika Wolf. Wenn ihr Name in der Zeitung steht, schneidet sie das immer aus. Auch Angelika und sogar die Schwester von Gisi stehen oft in der Zeitung.
Unser Verein ist überhaupt sehr gut. Ich bin auch drin. Aber so gut bin ich nicht. Als Anfänger hat man da so seine Schwierigkeiten beim Training. Herr Lang hat sehr viel Geduld mit dem Nachwuchs. Das sind wir, Gisela Bollmann, Gisi Simoneit und die Ursel von nebenan. Es macht Spaß, aber von den Großen will nie jemand mit uns spielen. Das heißt, mit Gila und mir nicht. Ursel kann schon richtig schmettern und besiegt manchmal sogar Inge und Angelika. Brigitte, die vernünftige Schwester von Paul und Angelika, spielt manchmal aus lauter Gutherzigkeit mit mir und Gila. Sie steht nicht so oft in der Zeitung, aber uns besiegt sie trotzdem mit Leichtigkeit.
In der
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