Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
Turnhalle ist es immer so kalt und zugig. Ich habe keine Tennisschuhe, nur meine Turnschuhe, die ich zum Spielen anziehen muss. Da frieren meine Füße auch.
Unser Trainer ist bestimmt schon so alt wie mein Vater, aber sehr nett zu uns allen. Noch ein bisschen netter ist er zu den Wolfmädchen. Die besucht er sogar zuhause, um mit Frau Wolf über die Tischtenniszukunft ihrer Töchter und manchmal auch über Pauls Erziehung zu sprechen. Ich habe ihn jedenfalls schon oft dort getroffen.
Es ist immer ein bisschen gefährlich, zu Wolfs zu gehen, wegen der Hunde von Tante Mine. Einer ist ja alt und grau. Er sieht eher wie ein Mob aus als ein Hund, tut aber nichts. Er bellt immer nur kurz. Die anderen sind auch nicht so gefährlich. Aber der Fifi! Das ist ein kleines schwarzes Ungeheuer mit einer spitzen Schnauze und einem aufgeregten Schwanz. Der kläfft nicht nur dauernd, der beißt die Leute auch, die er nicht leiden kann. Und mich kann er nicht leiden. Ich ihn übrigens auch nicht. Aber gebissen werden will ich auch nicht. Also bleibe ich immer so lange vor der geschlossenen Haustür, bis Paul dieses bellende Ungetüm eingesperrt hat.
Frau Wolf ist jetzt auch immer so nervös. Ob das von der dauernden Bellerei kommt, oder davon, dass sie in letzter Zeit dicker geworden ist?
Neulich bin ich, als ich nach Hause gegangen bin, noch einen Moment hinter der geschlossenen Tür stehen geblieben. Da habe ich gehört, wie Frau Wolf sagte: „Die Ulrike kann einem manchmal ganz schön auf die Nerven gehen!“
Ich war furchtbar gekränkt und beschloss, ihr nie wieder auf die Nerven zu gehen, einfach, weil ich nie wieder zu Wolfs ginge. Dann fiel mir das Sprichwort ein, das ausgerechnet Frau Mühlbauer immer zitiert: „Der Horcher an der Wand hört seine eigne Schand!“ Also bin ich auch noch ein „Horcher“. Ich habe geweint, weil ich so schlimm bin. Und weil ich so schlimm bin, tue ich mir leid. Deshalb habe ich weiter geheult.
Pfeffer in die Augen von Herrn Pfeffer
Wir haben jetzt richtige Toiletten ins Haus eingebaut bekommen. Für jede Familie eine im Hausgang. Da ist es aber sehr kalt drin. Das hat jedoch den Vorteil, dass niemand so lange auf der Toilette bleibt. Jedenfalls nicht im Winter.
Kattenbach hat auch eine Postnebenstelle bekommen. Die ist im Laden von Pfeffers untergebracht, hat aber einen eigenen Eingang. Herr Pfeffer ist der Postmeister oder wie das sonst heißt.
Man kann auf der Post auch Geld abholen, jedenfalls die Leute, die dort ein Sparbuch haben oder Rente bekommen. Das wissen alle. Deshalb ist auch eingebrochen worden. Am helllichten Tag!
Der Räuber hat über tausend Mark gestohlen.
Und Kattenbach hat seine Sensation!
Herr Pfeffer hat am Schalter gestanden und es war niemand da. Dann war doch jemand da, nämlich der Räuber. Er hatte einen Strumpf bis über die Nase gezogen und eine Mütze bis zu den Augen. Er hat eine Tüte aus der Tasche geholt und Herrn Pfeffer Pfeffer in die Augen gestreut. Da hat er nichts mehr sehen können, weil seine Augen zu stark gewürzt waren.
Der Dieb ist an ihm vorbeigestürmt und hat die Kasse aufgebrochen. Dann ist er mit dem Geld abgehauen. Später hat sich herausgestellt, dass er mit dem Zug weggefahren ist. Aber trotzdem glauben viele Leute, dass der Räuber aus Kattenbach kommt. Warum hätte er sich sonst wohl so vermummt? Frau Bollmann hat der Polizei sogar einen Tipp gegeben. Daraufhin ist Herr Malek zu Bosses gegangen und hat die Brüder verhört. Er hat aber keinen verhaftet. Das neue Motorrad von Heinz Bosse wurde gebraucht gekauft. Und das Geld dafür haben sie zusammengelegt.
Herr Pfeffer ist jetzt berühmt, weil die Leute alle wissen wollen, wie sich das wirklich abgespielt hat. Er kann wieder ganz normal sehen, sagt aber, dass er großes Glück gehabt hätte, dass er nicht blind geworden sei.
Für die Frauen hier ist er ein Held, sie himmeln ihn noch ein bisschen mehr an. Mein Vater meint allerdings, er sei kein Held. Wenn er einer wäre, hätte der Gauner das Geld nicht klauen können. Darüber hat er neulich sogar mit Frau Pfeffer gesprochen. Sie ist immer noch so dick, dass sie ihre Lebensmittel im Sitzen verkaufen muss. Frau Pfeffer hat ihm auch gesagt, dass sie ganz genau so denkt wie mein Vater.
Ich glaube, dass Papa ein bisschen eifersüchtig auf Herrn Pfeffer ist. Er würde sicherlich auch mal ganz gerne im Mittelpunkt stehen. Warum drückt er sich denn sonst jeden Tag die Locken zurecht und ist allen Leuten
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