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Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Titel: Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Essling
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haben wir eingekauft. Ich habe wunderschöne Sachen von ihr zum Andenken geschenkt bekommen. Einen durchsichtigen weißen Spitzenschal, mit dem man wunderbar Modenschau spielen kann, eine ganze Menge Süßigkeiten und zwei Hefte in deutscher Sprache. Eins heißt Huckleberry Finn, das andere David Copperfield. Die Hefte durfte ich sogar behalten, nicht nur, weil ich sie von Frau Fitzgerald bekommen habe, sondern auch, weil es sich um Weltliteratur handelt. Außerdem steht „Illustrierte Klassiker“ drauf. Die Süßigkeiten hat Mama für mich rationiert und den Schal hat sie mir abgenommen. Weil ein so kostbares Stück nicht in die Hände eines Kindes gehört. Wenn ich älter bin, kann ich ihn dann haben. Inzwischen musste ich ihr das kostbare Stück schon ein paarmal borgen.
    Na, wenigstens fragt sie mich. Ich habe überall nach dem Schal gesucht, finde ihn aber nirgends. So gut wird er vor meinen Händen bewahrt.
     
     

Müttergenesungsrosen
    Gisela Bollmann und ich verkaufen kleine Ansteckblumen aus Papier für das Müttergenesungswerk. Sie kosten zehn Pfennig. Herr Bollmann, der mich gut leiden kann, hat seine jüngste Tochter einfach zu mir geschickt, damit wir zusammen alle Häuser abklappern. Das war ganz schön mühselig. Viele Leute haben uns gar nicht erst aufgemacht. Frau Mühlbauer beispielsweise, ich habe sie nämlich niesen gehört. Andere haben uns zwar aufgemacht, aber höchstens eine Blume gekauft. „So sind wir heute Abend noch nicht fertig“, hat Gila gestöhnt. Wir haben auf den Treppenstufen vor Gilas Haus gesessen und hin und her überlegt. Außerdem kamen wir uns schon wie Bettler vor, obwohl wir die Blumen ja verkaufen und obendrein für einen guten Zweck.
    Da kam Frau Bollmann runter. Sie hat Gila gesagt, dass das Abendessen auf dem Fensterbrett steht, dann ist sie losgelaufen. Da kam Gila „die Idee“. Ihre Mutter arbeitet auch bei den Amis, obwohl sie die Frau des Bürgermeisters ist. Das ist übrigens immer wieder ein ergiebiges Gesprächsthema in Kattenbach. Aber sie wollen ja bauen und Herr Bollmann tut ja nichts, damit er besser verdient. Das sagt jedenfalls Gilas Mutter.
    Wir sind also zur amerikanischen Siedlung gestapft. Nach einem Haus hatten wir schon fast die Hälfte unserer Blumen verkauft und bestimmt viermal so viel Geld dafür. Jetzt verdienten wir. Natürlich haben wir nicht gewusst, was Müttergenesungswerk auf Englisch heißt. Also haben wir einfach gesagt, wir sammelten für das Rote Kreuz. Innerhalb einer Stunde hatten wir keine Röschen mehr.
    Zehn Pfennig sind für die Amerikaner kein Geld. Bei ihnen fängt das deutsche Geld erst bei einer Mark an. Da haben wir meistens vier Ansteckblumen dafür gegeben. Viele wollten gar keine. Bei Gila zuhause haben wir dann das Geld gezählt und für jede Blume zehn Pfennig beiseitegelegt. Den Rest haben wir uns ganz ehrlich geteilt.
    Im Bürgermeisteramt fragte uns Herr Bollmann, ob wir wenigstens einen Teil der Röschen verkauft hätten. Wir waren ganz stolz. Gila hat ihrem Vater den leeren Korb vor die Nase gehalten und nach mehr gefragt. Er hat die Augenbrauen in die Höhe gezogen und so was wie: „Das hätte ich nicht für möglich gehalten, nicht bei den Leuten hier“, gemurmelt. Dann hat er uns laut gelobt, damit Fräulein Jäger das auch hört. Ich habe Fräulein Jäger das Geld gegeben und sie hat es nachgezählt. Es hat genau gestimmt. Der Blumenkorb konnte noch mal gefüllt werden, es waren noch genug Müttergenesungsrosen da.
    Am nächsten Tag nach der Schule haben wir weitergemacht. Der Korb war wieder in kurzer Zeit leer. Unser Verdienst hatte sich verdoppelt. Ich liebe die Amerikaner und Gila liebt sie auch!
    Als wir das Geld ablieferten, sagte uns Fräulein Jäger, dass, seit es das Müttergenesungswerk gibt, in Kattenbach noch niemals so viele Röschen verkauft wurden. Gisela und ich haben uns unser Ehrenwort gegeben, dass wir niemandem verraten, an wen wir die Blumen verkauft haben.
    Nächstes Jahr wollen wir wieder sammeln gehen.
    Ich habe Mama zum Muttertag eine Herztorte vom Bäcker geschenkt. Sonst bekommt sie von mir immer nur ein gemaltes, aufklappbares Herz. Und Magnolien von dem Grundstück, wo die Kirche steht. Die hole ich abends vorher, wenn es dunkel ist, damit mich niemand sieht. Der Magnolienbaum gehört nämlich der Kirche.
    Die Muttertagstorte sah nicht nur sehr schön aus, sie hat auch gut geschmeckt. Mama hat sich nur gewundert, woher ich das Geld dafür hatte. Ich habe nur geheimnisvoll

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