Lockruf der Gefahr - Lockruf der Gefahr - Black Hills
größtenteils verschlafen.«
Als Lil die Katze zum ersten Mal sah, verschlug es ihr die Sprache. Schlank und muskulös saß Cleo in ihrem Reisekäfig wie auf einem Thron, während ihre Augen bernsteinfarben funkelten.
Sie musterte die Menschen mit einem Blick, der fast arrogant wirkte, und ließ ihr heiseres Gebrüll ertönen. Nur um von vorneherein klarzustellen, wer hier der Chef war.
Lil näherte sich dem Käfig, damit der Jaguar ihre Witterung aufnehmen konnte. »Hallo, Cleo. Ja, du bist fantastisch. Stark und kräftig, und das weißt du auch. Aber ich bin hier das Alphatier. Hier stehen keine Godiva-Pralinen oder Pudel mehr auf der Speisekarte.«
Als Lil sie umrundete, verfolgte sie die Katze mit ihren exotischen Augen. »Lassen wir sie raus. Hände weg von
den Käfigstäben! Ihre bevorzugte Tötungsmethode besteht darin, ihrer Beute den Schädel zu zertrümmern. Trotzdem wird sie nicht zögern, nach unvorsichtigen Händen oder Armen zu schlagen. Ich will niemanden ins Krankenhaus fahren müssen. Lasst euch von ihrer Vorliebe für Schokolade nicht in die Irre führen. Sie hat mächtige Kiefer, wahrscheinlich die kräftigsten aller Katzen.«
Sie ließen den Käfig mit der Hebebühne herunter, und unter den Blitzlichtern einer Touristengruppe brachten sie ihn direkt vor den Eingang des Geheges.
Cleo knurrte. Auf der anderen Seite des Zauns brüllte die Löwin.
Lil machte die Käfigtür weit auf und trat einen Schritt zurück.
Die Katze schnupperte in die Luft und ließ ihren Blick über das Gehege mit dem Baum und dem Felsen, den Zaun sowie die anderen Tiere dahinter schweifen.
Ihr Schwanz zuckte, während die Löwin den gemeinsamen Zaun abschritt und ihr Revier markierte.
»Dieses melanistische oder schwarze Jaguarweibchen ist noch nicht ausgewachsen«, sagte Lil laut für die Touristen. »Seine Fellfärbung verdankt es einem dominanten Allel - also einer seltenen Genkombination. Aber sie hat Rosetten - Flecken -, die man aus der Nähe erkennen kann. Der Jaguar ist neben dem Löwen, dem Tiger und dem Leoparden eine von vier Großkatzenarten.«
Während sie sprach, beobachtete sie Cleos Reaktionen.
»Wie Sie sehen, hat es trotz seines jungen Alters einen kräftigen, muskulösen Körper.«
»Es sieht aus wie ein Leopard.«
Lil nickte einem der Männer aus der Gruppe zu. »Sie haben recht. Vom Körperbau her sieht der Jaguar aus wie
ein Leopard, wobei er allerdings noch größer und gedrungener werden wird. Aber vom Verhalten her erinnert er eher an einen Tiger - und wie die Tiger schwimmt er gern.«
Cleo bewegte sich zentimeterweise auf die Käfigöffnung zu. Lil blieb, wo sie war. Sie verhielt sich ganz ruhig und sprach weiter. »Und wie die Tiger werfen Jaguarweibchen das Männchen nach der Geburt ihrer Jungen hinaus.«
Das brachte ihr ein paar Lacher ein, während die Gruppe eine andere Position einnahm, um noch mehr Fotos machen zu können.
»Sie ist eine Lauerjägerin, und kaum eine Art kann mit ihren Fähigkeiten mithalten. In freier Wildbahn steht sie als Raubtier ganz oben in der Nahrungskette. Nur der Mensch macht Jagd auf sie. Weil die Wälder immer mehr abgeholzt werden, der Mensch immer stärker in ihre Lebensräume vordringt und sie zerstört, nimmt der Jaguarbestand ab. Die Spezies gilt als beinahe vom Aussterben bedroht. Schutzmaßnahmen tragen dazu bei, die Tierart zu retten.«
Geduckt schob sich der Jaguar aus dem Käfig und schnupperte auf dem Boden und in der Luft herum. Als er den Käfig verlassen hatte, verließ Lil das Gehege und schloss die Tür hinter sich.
Die Menge applaudierte.
»Hier ist das Tier geschützt«, fügte Lil hinzu. »Die Mitarbeiter, Praktikanten und Freiwilligen des Chance-WildReservats werden sich darum kümmern.« Und damit sie es nicht vergaßen, fügte Lil noch hinzu: »Und das alles dank der Spenden unserer Förderer und Besucher.«
Sie sah zu, wie die schwarze Katze durchs Gras schlich,
daran schnupperte und sich anschließend aufrichtete. Sie markierte ihr Revier, so wie es die Löwin bereits getan hatte.
Sie lief auf und ab, ging im Kreis, und selbst als sie stehen blieb, um aus ihrer Tränke zu trinken, sah Lil das Spiel ihrer Muskeln.
Sie beobachtete die Katze auch noch, als die anderen längst gegangen waren, und zwar fast eine Stunde lang. Und als Cleo in den Baum sprang, um ihren muskulösen Körper auf einem dicken Ast auszustrecken, lächelte sie.
»Willkommen daheim, Cleo«, sagte sie laut.
Sie ließ ihren neuen Gast allein und ging
Weitere Kostenlose Bücher