Lockruf der Gefahr - Lockruf der Gefahr - Black Hills
er sie wieder los, aber nicht ohne sie davor noch sanft zu beißen.
»Das Huhn riecht köstlich.«
Sie schob ihn noch ein Stück von sich weg. »Setz dich. Gleich ist es fertig.«
Sie aßen und waren stillschweigend übereingekommen, über ganz alltägliche Dinge zu sprechen. Über das Wetter, die Pferde, den Gesundheitszustand des neuen Tigerweibchens. Sie spülten gemeinsam ab. Nachdem er kontrolliert hatte, ob alle Türen abgeschlossen waren - der einzige Hinweis auf Probleme -, setzten sie sich vor den Fernseher, um sich das Baseballspiel anzusehen. Und während ein wächserner Mond ins Fenster schien, liebten sie sich.
Trotzdem träumte sie in dieser Nacht davon zu fliehen. Sie träumte, wie sie in Panik durch den mondbeschienenen
Wald floh, während ihr das Herz bis zum Hals schlug und sie lautstark keuchte. Sie spürte den Schweiß der Anstrengung und Angst auf ihrer Haut. Haut, die von Zweigen zerschrammt wurde, während sie sich durchs Unterholz kämpfte und ihr eigenes Blut roch.
Er würde es ebenfalls riechen.
Sie wurde gejagt.
Als sie die Ebene erreichte, peitschte das hohe Gras gegen ihre Beine. Sie hörte ihren Verfolger, der immer näher kam, egal, wie schnell und wohin sie rannte. Der Mond leuchtete gnadenlos alles aus, sodass sie sich nirgendwo verstecken konnte. Nur die Flucht konnte sie retten.
Aber da fiel sein Schatten auf sie, drückte sie beinahe zu Boden mit seinem Gewicht. Und als sie sich umdrehte, ihm ins Gesicht sah, sprang der Puma aus dem hohen Gras, und seine Fangzähne schnappten nach ihrer Kehle.
27
E s verging ein Tag nach dem anderen. Es gab Hinweise darauf, dass sich Ethan in Wyoming aufhielt, auf der Höhe von Medicine Bow. Andere Hinweise deuteten darauf hin, dass er in der Gegend von Shoshoni war. Aber jede Suche blieb erfolglos.
Der Ermittlungstrupp in Spearfish wurde reduziert, und die Menschen in der Stadt und auf den umliegenden Farmen wandten sich wieder anderen Themen zu, dem bevorstehenden Pflügen und Pflanzen, dem Werfen der Lämmer und dem Puma, der keine vierhundert Meter vom Zentrum von Deadwood im Apfelbaum eines Gartens gesessen hatte.
Im Diner, am Postschalter und an der Bar war man sich einig, dass der Mann, der den armen Kerl aus St. Paul getötet hatte, geflohen war.
Die Spur wurde kalt.
Aber Lil konnte den Traum nicht vergessen und wusste, dass die Leute sich täuschten.
Während ihr Umfeld unvorsichtiger wurde, ließ sie so viel Vorsicht walten wie nie zuvor. Sie gewöhnte es sich an, jeden Morgen ein Messer in ihren Stiefelschaft zu stecken. Sein Gewicht beruhigte sie.
Das gute Wetter brachte Touristen, und die Touristen brachten Spenden. Laut Mary konnten sie im ersten Quartal einen Anstieg um sieben Prozent verbuchen, der sich während der ersten Wochen des zweiten Quartals fortsetzte. Das waren gute Nachrichten, doch richtig darüber freuen konnte sich Lil nicht.
Je ruhiger und normaler der Alltag wurde, desto nervöser wurde sie. Worauf wartete er eigentlich?
Eine Frage, die sie sich immer wieder stellte, während sie Körbe mit Futter herbeischleppte, die Gehege abspritzte oder Vorräte auslud. Bei jedem Rundgang durchs Reservat spannte sich in Erwartung eines Angriffs ihr ganzer Körper an.
Sie sehnte ihn förmlich herbei. Es wäre ihr lieber gewesen, wenn Ethan bis an die Zähne bewaffnet aus dem Wald gesprungen wäre, als darauf zu warten, dass irgendeine Falle zuschnappte.
Sie durfte miterleben, wie sich Boris und Delilah aneinanderkuschelten. Oder wie er voranlief und sie ihm zögerlich durchs Gras folgte. Sie freute sich auch darüber und empfand so etwas wie Befriedigung, aber insgeheim verzehrte sie sich vor Angst und Sorge.
Eigentlich musste sie Mary und Lucius bei den Vorbereitungen für den Tag der offenen Tür im Sommer helfen. Oder Tansy bei den Hochzeitsvorbereitungen unterstützen. Aber sie konnte an nichts anderes denken als: Wann? Wann wird er kommen? Wann ist es endlich vorbei?
»Die Warterei macht mich wahnsinnig.« Lil hatte es sich angewöhnt, mit Coop die Gehege abzulaufen, nachdem die Mitarbeiter gegangen waren.
»Dir bleibt nun mal nichts anderes übrig, als abzuwarten.«
»Aber deswegen muss ich es noch lange nicht mögen. Ich sitze schließlich nicht die halbe Nacht in einem Jeep und warte, dass ein Rudel Löwen zum Wasserloch kommt. Ja, ich sitze nicht mal am Computer und verfolge einen markierten Puma. So ein Warten ist wenigstens sinnvoll .«
»Vielleicht haben wir uns getäuscht. Vielleicht ist er
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