Lockruf der Gefahr - Lockruf der Gefahr - Black Hills
Bergen rumlaufen?«
»Ich hab sie nicht danach gefragt. Ich war nur wenige Minuten dort.«
Sam schüttelte den Kopf. Für einen Mann, dessen Bein erst vor vier Monaten zerschmettert worden war, konnte er schon wieder ganz gut laufen, dachte Coop. Trotzdem bewegte er sich noch so steif und unbeholfen, dass Coop unweigerlich daran denken musste, wie leicht und beschwingt Sams Gang einst gewesen war.
»Ich frage mich, ob du noch ganz richtig tickst, mein Junge.«
»Wie bitte?«
»So ein hübsches Mädchen! Dabei weiß doch jeder, wie verschossen du damals in sie warst. Und jetzt hast du nur noch ein paar Minuten für sie übrig?«
»Sie hatte zu tun«, sagte Coop, während sie zur Treppe gingen. »Ich hatte zu tun. Und diese Zeiten sind längst vorbei. Außerdem hat sie einen Freund.«
Sam schnaubte, während er nach unten humpelte und Coop sich so positionierte, dass er ihn auffangen konnte, falls er fiel. »Irgendein Ausländer.«
»Hast du neuerdings was gegen Ausländer?«
Obwohl er seine Lippen wegen des anstrengenden Treppensteigens aufeinandergepresst hatte, funkelten Sams Augen belustigt. »Ich bin ein alter Mann. Ich darf schimpfen, ja, man erwartet es sogar von mir. Und was heißt das schon, ›einen Freund haben‹? Nicht das Geringste. Ihr jungen Leute traut euch nicht, einer Frau den Hof zu machen, weil sie einen Freund hat?«
»›Ihr jungen Leute‹? Gehört das zu deinen Schimpftiraden neuerdings dazu?«
»Sei nicht so frech!« Trotzdem beschwerte er sich nicht, als Coop ihm in seine Winterjacke half. »Wir nehmen die Vordertür. Sie ist hinten in der Küche, und ich will nicht, dass sie mich mit ihren Sorgen und Verboten überschüttet.«
»Einverstanden.«
Sam seufzte kurz und setzte seinen alten Hut mit der eingerollten Krempe auf. »Du bist ein guter Junge, Cooper, aber von Frauen hast du keine Ahnung.«
»Ich soll von Frauen keine Ahnung haben?« Coop führte Sam hinaus. Er hatte den Schnee von der Veranda, den Stufen, dem Weg zu den Autos und den anderen Gebäuden geschaufelt. »Und du beklagst dich, dass deine Frau ständig an dir herummeckert! Wenn du nachts zur Abwechslung mal etwas anderes tun würdest, als nur zu schnarchen, würde sie dich tagsüber vielleicht in Ruhe lassen.«
»Sei nicht so frech!«, wiederholte Sam, musste dann aber doch lachen. »Ich sollte dir mit diesem Stock eine gehörige Tracht Prügel verpassen.«
»Und wenn du dabei hinfällst, darf ich dir wieder aufhelfen.«
»So lange kann ich mich schon noch auf den Beinen
halten! Aber das will ja partout nicht in ihren Kopf hinein.«
»Sie liebt dich. Du hast ihr einen schönen Schrecken eingejagt. Und jetzt macht ihr euch das Leben gegenseitig zur Hölle. Du bist genervt, weil du noch nicht alles so schaffst, wie du es gerne hättest. Du brauchst einen Stock, vielleicht sogar für den Rest deines Lebens. Na und?«, sagte er, ohne jede Spur von Mitleid. »Hauptsache, du kannst laufen!«
»Sie lässt mich keinen Schritt allein vor die Tür, auf meinem eigenen Grund und Boden. Ich brauche keine Krankenschwester.«
»Ich bin nicht deine Krankenschwester«, sagte Coop sachlich. »Sie bemuttert dich, weil sie Angst um dich hat. Und du beschimpfst sie auch noch dafür. So kenne ich dich gar nicht.«
»Sie hat mich auch noch nie wie ein Kleinkind behandelt«, sagte Sam heftig.
»Dein ganzes Bein war zerschmettert, Grandpa! Und jetzt kannst du nun mal nicht allein durch den Schnee stapfen. Aber stur, wie du bist, willst du genau das. Du musst Geduld haben, dich damit abfinden.«
»Du hast gut reden! Du bist schließlich erst um die dreißig und nicht an die achtzig.«
»Dann solltest du die Zeit, die dir noch bleibt, erst recht zu schätzen wissen und damit aufhören, dich über deine Frau zu beklagen, die dich trotz deiner ewigen Meckerei aufrichtig liebt.«
»Du bist ja auf einmal richtig redselig.«
»Es hat sich so einiges in mir aufgestaut.«
Sam hob sein wettergegerbtes Gesicht. »Ein Mann hat auch seinen Stolz.«
»Ja, ich weiß.«
Langsam und mühsam bahnten sie sich ihren Weg zur Scheune. Als sie sie betreten hatten, ignorierte Coop, dass Sam außer Atem war. Er konnte in aller Ruhe verschnaufen, während sie sich die Pferde ansahen.
In diesem Winter waren drei Fohlen geboren worden. Zwei waren ohne Komplikationen zur Welt gekommen, aber eines war eine Steißgeburt gewesen. Coop und seine Großmutter hatten mitgeholfen, es zu holen, und Coop hatte in jener Nacht sowie in der darauffolgenden in
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