Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
jaulen, ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen. Die junge Frau nahm den Dackel auf den Arm und drückte ihn an ihre Brust.
»Ich bin Camry. Und dieses aufgeregte Bündel in Ihren Armen ist Tigger, meine Dackeldame.«
Das Mädchen sagte nichts und schmiegte nur ihre Wange an Tiggers Fell.
»Wohnen Sie in der Nähe?«, fragte Camry, während sie mit den Augen die Straße hinter den Dünen nach einem Auto absuchte, obwohl sie nicht recht wusste, ob das Mädchen überhaupt alt genug für den Führerschein war.
»Nein«, flüsterte das Mädchen; ihre schönen blauen Augen blickten sie wachsam an.
»Wie heißen Sie?«
»Fiona.«
Camry versuchte erst gar nicht, ihr Erstaunen zu verbergen. »Ach wirklich? Fiona?« Sie lächelte breit. »Meine fünfeinhalb Monate alte Nichte heißt auch Fiona. Hm … Fiona wie?«
Das Mädchen gab keine Antwort und liebkoste wieder mit ihrer Wange Tiggers Fell.
Cam seufzte. Der Zustand ihrer Kleidung und die Tatsache, dass sie ihren Familiennamen nicht preisgeben wollte, ließen Camry annehmen, dass sie eine Ausreißerin vor sich hatte. Außerdem sah Fiona aus, als wäre sie eine Woche lang nicht mit Seife und Wasser in Berührung gekommen und hätte seit Tagen nichts gegessen. Sie war bleich und zittrig und wirkte so verletzlich, dass Cam sie am liebsten in die Arme genommen und fest an sich gedrückt hätte.
»Wenn Sie nicht hier wohnen, sind Sie ja vielleicht auf der Durchreise. Wissen Sie schon, wo Sie übernachten wollen?«
»Man hat mir gesagt, dass es in Portland Jugendherbergen gibt.«
Camry ließ sich ihr Entsetzen nicht anmerken. Das Mädchen wollte doch hoffentlich nicht per Anhalter fahren! »Bis Portland sind es dreißig Meilen. Hören Sie«, sagte sie und kehrte der Küste den Rücken. »Ich wohne ganz in der Nähe und habe ein Extrabett und einen Riesenkamin, in dem wir ein großes Feuer
machen können. Und es ist so viel heißes Wasser da, dass Sie sich eine ganze Stunde lang duschen können, wenn Sie mögen.« Sie neigte den Kopf zur Seite und lächelte. »Außerdem will ich morgen zufällig auch nach Portland und kann Sie mitnehmen.«
Falls sie es nicht schaffte, das Mädchen zur Heimkehr zu überreden.
Als sie sah, dass Fiona ihr, wenn auch zögerlich, folgte, drehte Camry sich um und ging über den Strand zu ihrem Haus. »Ich muss heute Abend zur Arbeit«, fuhr sie im Plauderton fort, »aber in der Kneipe, in der ich arbeite, gibt es das beste Essen weit und breit.« Sie warf Fiona ein Lächeln zu. Das Mädchen, das nun neben ihr ging und Tigger noch immer fest an sich gedrückt hielt, genoss offenbar die Wärme ihres neuen Gefährten.
Plötzlich aber drehte Fiona sich um und rannte landeinwärts davon. Cam wurde das Herz schwer, als sie dem Mädchen nachblickte, doch dann wurde ihr plötzlich klar, dass sie mit Tigger davonlief.
»He, das ist mein Hund!«, rief sie und nahm die Verfolgung auf.
Ebenso plötzlich blieb Fiona auf dem Rasenstreifen stehen und setzte Tigger auf den Boden. Dann griff sie hinter einen Busch und richtete sich mit einem großen Rucksack in der Hand wieder auf.
Cam atmete erleichtert auf. »Ach, sehr gut«, sagte
sie und ging über den Strand, als wäre nichts geschehen. »Ich besitze übrigens auch eine Waschmaschine und einen Trockner, falls Sie Ihre Sachen waschen müssen.«
»Was wird Ihr Mann sagen, wenn Sie mich über Nacht bei sich aufnehmen?«, fragte Fiona, die nun mit dem Rucksack auf dem Rücken und Tigger in den Armen hinter ihr hereilte.
»Ich habe keinen Ehemann.«
»Ach, Sie sind geschieden?«
Camry warf ihr einen Seitenblick zu. »Nein. Ich war nie verheiratet.«
Fiona blieb stehen und sah sie blinzelnd an. »Wie alt sind Sie?«
»Fast zweiunddreißig. Warum?«
»Und Sie waren nie verheiratet?«
Camry ging weiter. »Soweit ich weiß, ist es kein Verbrechen, mit zweiunddreißig ledig zu sein. Und Sie? Sind Sie verheiratet?«
»Ich bin erst sechzehn.«
Camry lächelte. »Ich glaube, es ist auch kein Verbrechen, mit sechzehn noch Single zu ein. Also, Fiona, was ist so toll daran, in einer Herberge in Portland zu leben?«
Ein paar Herzschläge lang schwieg das Mädchen, dann sagte sie leise: »Es ist immerhin besser als zu Hause.«
»Verstehe. Ist es so schlimm?«
»Mein Vater ist unmöglich. Die ganze Zeit nörgelt er herum und tadelt mich.«
Camry stieß den Atem aus. »Dann sitzen wir in einem Boot. Sagen wir doch du zueinander. Erzähl mir mehr. Ich möchte wirklich gern wissen, was sich bei
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