Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
anderen Vätern und Töchtern so abspielt. Kaum sind wir auf der Welt, da laufen die männlichen Beschützergene nämlich schon zur Höchstform auf.«
Fiona blieb wieder stehen. »Dein Vater hat auch ständig an dir herumerzogen?«
»Soll das ein Witz sein? Er tut es noch immer!«
»Mit zweiunddreißig?« Sie drückte Tigger enger an sich. »Manchmal behandelt mich mein Vater, als hätte ich nicht so viel Verstand, zwei und zwei zusammenzuzählen. Meine Freunde, vor allem die Jungs, lehnt er alle ab, und meine Klamotten findet er scheußlich.«
Camry zog den Stecken aus dem Maul des Schäferhundes und warf ihn, so weit sie konnte, worauf die drei Hunde hinterherjagten. Sie ging weiter. »Ach? Warte nur, bis du zwei Jahre aus dem College und noch immer ledig bist. Dann wird aus der Warnung ›Alle Männer sind Wölfe!‹ sehr rasch die Frage: ›Wie kommt es, dass du keinen Mann findest? ‹ Wenn du dann dreißig bist, heißt es: ›Such dir einen Mann, sonst bekomme ich keine Enkel.‹«
Camry machte den schottischen Akzent ihres Vaters nach.
Camrys strenge Miene und der komische Akzent entlockten Fiona ein Kichern, das sie mit der Hand vor dem Mund unterdrückte. »Im Ernst?«, fragte sie und riss ihre großen blauen Augen auf. »Die Moralpredigten nehmen also kein Ende?«
»Nein. Und weißt du, warum?«
»Warum?«
»Weil wir Töchter unseren Vätern eine Heidenangst einjagen. Sie lieben uns über alles und machen sich unseretwegen so große Sorgen, dass es ihnen unerträglich ist, wenn wir keinen Mann haben, der für uns sorgt.«
»Wir machen unseren Vätern Angst?«, sagte Fiona ungläubig. »Ich glaube nicht, dass es etwas gibt, das meinen Dad ängstigen könnte.«
Camry sah, dass das fröstelnde Mädchen Tigger fester an sich drückte. »Du machst ihm Angst, weil er dich liebt. Da drüben ist übrigens mein Haus«, sagte sie und deutete auf ein kleines Gebäude auf der Felsklippe.
»Toll! Du lebst direkt am Meer. Bist du reich?«
Camry lachte. »Nicht wirklich. Ich habe es nur gemietet. Und du? Bist du reich?«
Fiona schnaubte verächtlich. »Geld ist doch nicht alles.«
»Aber es ist nützlich, wenn es darum geht, Designerjeans, einen teuren Rucksack und eine schicke Uhr zu kaufen.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die Uhr am Handgelenk des Mädchens.
»Ich kann ja nichts dafür, dass meine Eltern viel Geld haben«, meinte Fiona abwehrend.
»Nein, so wie du nichts dafür kannst, dass sie jetzt außer sich sind vor Sorge und vermutlich sämtliche Polizisten von Maine für die Suche nach dir mobilisiert haben. Wie lange bist du schon unterwegs, Fiona?«
»Noch nicht lange genug«, konterte das Mädchen scharf und ging in Richtung Haus.
Cam pfiff laut, und die drei Hunde kamen in großen Sätzen auf sie zugesprungen. »Kommt, wir müssen den Sand abbürsten, bevor eure Herrchen euch abholen«, sagte sie zu den Hunden und lief Fiona nach. »He, es wäre verantwortungslos, wenn ich nicht wenigstens versuchen würde, dir klarzumachen, dass deine Familie deinetwegen vor Angst und Sorge fast durchdreht.«
»Denen fällt doch gar nicht auf, dass ich weg bin.«
»Glaub mir, ein Vater, der dich so liebt, dass er dir ständig Ratschläge erteilt, weiß genau, ob du in deinem Bett schläfst oder nicht. Ich konnte mich nach Einbruch der Dunkelheit nicht aus dem Haus schleichen, ohne am Ende der Ausfahrt auf meinen Vater
zu stoßen.« Sie öffnete die Verandatür und bedeutete Fiona vorauszugehen. »Lass die Hunde nicht ins Haus. Ich muss sie zuerst vom Sand befreien. Setz Tigger ab und geh dich aufwärmen. Ich komme gleich nach.«
»Ich helfe dir.«
Camry reichte ihr ein altes Handtuch. »Okay. Der Labrador heißt Max, der Retriever ist Ruffles und der Schäferhund Suki. Sie müssen total sauber sein, bevor ihre Besitzer sie in einer Stunde abholen kommen.«
»Ach, die Hunde gehören dir gar nicht?«
»Gott bewahre. Was sollte ich mit so einem Rudel Riesenbabys? Ich betätige mich als Hundesitterin, während ihre Besitzer zur Arbeit gehen, um das Futter für sie zu verdienen. Ich bin so eine Art Tagesmutter für Hunde.«
»Ach? Davon lebst du?«
»Ich bezahle damit meine Rechnungen. Außerdem arbeite ich freitags und samstags am Abend immer an der Bar eines Lokals.«
Fiona starrte sie verblüfft an.
»Was?«
»Aber du hast doch gesagt, du bist fast zweiunddreißig. Wieso hast du dann keinen richtigen Beruf?«
»Du meinst Hausmütterchen oder Präsidentin der Vereinigten Staaten? Oder
Weitere Kostenlose Bücher