Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
Galerie hinauf, dann sah er wieder Grey an. »Lässt du ihn wirklich hier im Haus wohnen?«
Grey fand zu seinem ersten Lächeln an diesem Nachmittag. »Schare deine Freunde eng um dich, und deine Feinde noch enger, Jack.«
»Und Luke Pascal ist ein Feind?«
»Bis er das Gegenteil beweist, wohl schon.«
Luke stand unter dem himmlisch heißen Duschstrahl und biss die Zähne zusammen, so sehr taten ihm seine langsam auftauenden Zehen weh. Dann machte er sich daran, mit dem Rasierapparat, den er in dem gut bestückten Badezimmer vorgefunden hatte,
seinen Bart abzurasieren. Während der Beweis seines zwei Monate währenden Daseins als Höhlenmensch sich mehr und mehr verflüchtigte, fragte er sich, ob er nicht aus dem sprichwörtlichen Regen in die Traufe geraten war.
Zuerst einmal, und das war wirklich am erstaunlichsten, entsprach Grace Sutter MacKeage seinen Erwartungen ganz und gar nicht. Für eine Frau, die mit ihren akademischen Diplomen – darunter zwei Doktortitel – ein ganzes Haus tapezieren konnte, wirkte sie absolut nicht wie eine abgehobene Intellektuelle. Luke wusste, dass sie Mitte sechzig und Mutter von sieben Töchtern war, aber sie sah keinen Tag älter als fünfzig aus.
Ihr Mann hingegen jagte Luke die reinsten Schauer über den Rücken – und mit seinen Erfrierungen hatten sie gewiss nichts zu tun. Greylen MacKeage musste an die siebzig sein, und seine scharfen, durchdringenden grünen Augen zeugten von einem jeden Jahr seiner Erfahrungen. Als Luke arglos erwähnte, dass Camry schon seit über einem Jahr nicht mehr für die NASA arbeitete, hatte Greylen ausgeschaut, als wolle er den Übermittler dieser Botschaft am liebsten umbringen – als wäre es Lukes Schuld, dass Camry gelogen hatte.
Nachdem Luke festgestellt hatte, dass sein Retter Jack Stone der Ehemann von Camrys Schwester Megan
war, dachte er, sein Glück hätte sich gewendet. Das heißt, bis er der Frau gegenübergetreten war, deren Lebenswerk er ruiniert hatte. Fast hätte er sich Dr. Sutter zu Füßen geworfen und sie um Vergebung angefleht, weil er den Podly zerstört hatte.
Obwohl er fairerweise sagen musste, dass er nur dessen Datensendungen abhören, nicht jedoch den kleinen Satelliten hatte kapern wollen. Und ganz sicher hatte er nicht gewollt, dass er aus seiner Umlaufbahn katapultiert wurde. Aber dass das Ding ausgerechnet in unmittelbarer Nähe von Pine Creek aufgeschlagen war, das hatte schon etwas richtig Unheimliches.
Und dann hatte ihn sein Kindheitsidol ins Haus gebeten und ihn mit größter Freundlichkeit behandelt. Für seine Unaufrichtigkeit würde er in der schlimmsten Hölle schmoren.
Luke drehte sich um, ließ den heißen Strahl über sein glatt rasiertes Gesicht strömen und wusch sich das Haar. Stone hatte ihm die Geschichte von der Suche nach dem alten Familiencamp nicht abgenommen; Luke hatte den Argwohn im gleichmütigen Blick des Polizisten bemerkt, noch bevor er seine Lüge ganz über die Lippen gebracht hatte. Deshalb war er zu der Halbwahrheit übergegangen, er kenne Camry MacKeage und hätte geglaubt, sie hielte sich in Pine Creek auf. Polizeichef Stone hatte Luke dann auf seinen Motorschlitten gesetzt und war
durch das Städtchen gebraust und weiter zum TarStone-Mountain-Skiresort, und zwar direkt zu einem Gebäude, das er nur als Schloss beschreiben konnte. Sogar eine Zugbrücke hatte man überschreiten müssen, um zum Eingang zu gelangen.
Was sollte er jetzt also machen? Er hatte sich in den letzten fünf Monaten intensiv mit dem Podly befasst: die ersten drei mit der Berechnung der Daten seiner Umlaufbahn, die letzten zwei mit der Suche nach dem Satelliten am Springy Mountain. Und noch immer hatte er keine Spur von ihm entdeckt; nach allem, was er wusste, konnte das verdammte Ding auch auf dem Grund des Pine Lake liegen.
Wieder kämpfte Luke gegen den überwältigenden Drang an, sich Grace zu Füßen zu werfen, sie um Verzeihung anzuflehen und sie dann zu bitten, ihm bei der Suche nach ihrem Satelliten zu helfen, der ihm abhanden gekommen war. Aber er musste sich nur Greylen MacKeages durchdringende grüne Augen vorstellen und an das tödliche alte Schwert denken, das über dem Kamin hing. Grace alles zu beichten mochte gut für seine Seele sein; aber von ihrem erzürnten Ehemann in Stücke gehauen zu werden war dann doch etwas anderes.
Was Lukes Gedanken auf die Tochter der beiden lenkte. Ob Camry ihrer Mutter oder ihrem Vater nachgeraten war?
Seiner Einschätzung nach ihrem Vater,
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