Lockruf Der Leidenschaft
gibt dir eine sehr klare Anweisung mit seiner Bitte. Er bittet dich um ein offen ausgetrage-nes Spiel, hinter dem nur ein Gedanke stehen kann. Und das kann ich beim besten Willen nicht gutheißen, Polly.«
Aber wenn ich mich dem jetzt verweigere, können wir unseren Plan gleich ganz vergessen«, wandte Polly ein. »Denn damit würde ich ihm eine eindeutige Antwort geben. Es geht um ein Abendessen in einer Taverne, Nicholas, nicht um ein wildes Gelage in einem Bordell. Was kann denn schon passieren?«
Nick runzelte die Stirn und kaute auf seiner Lippe. Schließlich seufzte er. »Ich vermute auch, dass du dort in Sicherheit bist. Und du wirst dein Abendessen in jedem Fall genießen. Die Schenke ist bekannt für ihre ausgezeichnete Küche. Ich werde dir wie immer meine Kutsche schicken, und John Coachman wird auf dich warten. Dann kannst du gehen, wann immer du möchtest.«
»Das sollte als Vorsichtsmaßnahme genügen«, stimmte Polly ihm entschlossen zu und schob ihr Haar unter die runde Samthaube. »Wenn ich dort in deiner Kutsche erscheine, wird der Herzog auch gleich von Anfang an verstehen, dass ich zumindest heute Nacht noch nicht bereit bin, den Spaß noch weiter zu treiben, was auch immer ich mit meinen Kniebundhosen herausfordern mag.« Polly wandte sich vom Spiegel ab und schenkte Nicholas ein besänftigendes Lächeln. »Es ist doch keine große Angelegenheit, Liebling. Genau genommen macht es sogar ein bisschen Spaß, Buckingham an der Nase herumzuführen. Schließlich benutze ich dafür ja auch meinen Verstand.« »Ja.« Nicholas griff nach ihrem Umhang. »Zieh das hier über, es regnet.« Er legte ihr den Umhang um die Schultern. »Liebes, du musst aufpassen. Ich will nicht behaupten, dass dein Verstand nicht genauso scharf wäre wie Buckinghams, aber er hat einige Jahre mehr Erfahrung als du. Werde nicht zu selbstsicher.« »Aber das bin ich doch nicht, oder?« Polly musterte ihn mit gerunzelter Stirn.
»Ich weiß es nicht.« Nick schüttelte den Kopf. »Du bist in deiner Rolle inzwischen viel entspannter als zu Anfang, deshalb könntest du die Risiken etwas unterschätzen. Du kreuzt die Klinge mit einem Meister des Duells, vergiss das nicht.«
In Pollys Darbietung an diesem Nachmittag lag ein Draufgängertum, das nicht gerade zu Kincaids innerer Ruhe beitrug. Sie ließ keine Gelegenheit aus, die Kurven ihrer Hüften oder ihrer Beine zu zeigen, den hübschen Schwung ihrer Fesseln, die sanfte Rundung ihrer Waden - weibliche Reize, wie man sie nur selten in der Öffentlichkeit auf einer Bühne gesehen hatte. Zudem trug sie die Zeilen, die sich direkt an das Publikum richteten, mit einer solch kecken Verschmitztheit vor, dass ganze Salven fröhlichen Gelächters zu der gläsernen Kuppel emporschallten. Als die Auflösung des turbulenten Stückes erfolgte und sich herausstellte, dass der hübsche junge Mann mit eindeutig weiblichen Konturen ausgestattet war, präsentierte Polly dem Publikum ihre entblößten Brüste mit einer so einladenden Geste, dass sich König Charles und sein Hof veranlasst sahen, von ihren Plätzen aufzuspringen und ihr begeistert zuzujubeln.
»Heute Nachmittag muss irgendetwas in sie gefahren sein«, murmelte Killigrew Kincaid zu, als sie hinter den Kulissen standen. »Nicht dass ich etwas dagegen hätte, damit du mich auch richtig verstehst. Es ist eine ganz köstliche Vorstellung. Selbst der König ist auf den Beinen.«
Aber auch George Villiers, dachte Nick, dem durchaus klar war, dass es Buckingham war, für den Polly heute Nachmittag spielte. Sie sprach eine Einladung aus, die wohl jeden Mann in die Falle gelockt hätte. Wenn Buckingham sich nun also wieder zu der Annahme ermutigt gefühlt hatte, dass Polly im Begriff war, ihre Versprechen doch noch zu erfüllen, hatte ihn diese Vorstellung gewiss restlos davon überzeugt. Er würde diesem Abend förmlich entgegenfiebern, aber eine unliebsame Abkühlung er-fahren, wenn er feststellen musste, dass er sich wieder einmal vergeblich Hoffnungen gemacht hatte, selbst wenn ihre Kleidung ihn auch weiterhin provozieren mochte.
Nicks Unbehagen steigerte sich zu Besorgtheit. Begreift sie wirklich, wie gefährlich dieses Spiel ist, das sie da spielt?, dachte er, während plötzlich ein Anflug von Zorn in ihm aufwallte. Sie benahm sich, als ob sie mit einem harmlosen Dümmling spielte und nicht mit einem der mächtigsten und gefährlichsten Männer des ganzen Landes.
»Ich glaube, sie haben die Vorstellung genossen!« Lachend lief
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