Lockruf Der Leidenschaft
auf Kincaid zugelaufen war - so selbstverständlich, als ob dieser Mann der Einzige wäre, der ihren Kummer zu lindern vermochte. Allerdings hatte er sich große Mühe gegeben, seiner Mätresse mit wohl einstudierter Gleichgültigkeit zu begegnen. Und dann dieses ungläubige Entsetzen, mit dem sie vor ihm zurückgezuckt war ... bis sie Buckingham entdeckt hatte. Angst und Bestürzung hatten sich auf ihrem Gesicht abgezeichnet, wenngleich auch nur für einen kurzen Moment.
Was, zum Teufel, hatte das zu bedeuten? Auf Buckinghams Gesicht zeichnete sich ein Ausdruck ab, der jeden in Alarmbereitschaft versetzt hätte, der ihn kannte. Wenn Mistress Polly ein noch tiefgründigeres Spiel spielte, als er ohnehin bereits geahnt hatte, würde er unverzüglich die Wahrheit herausfinden. Leise stand er auf und verließ das Theater.
Nick bemerkte das Verschwinden des Herzogs zwar, ließ sich jedoch nichts anmerken. Stattdessen verfluchte er im Stillen die sich ständig vermehrenden Straßenhunde, Pollys weiches Herz und den kaltherzigen Pragmatismus dieses Handwerkers, der in diesem zunächst unerwünschten Tier nichts anderes sah als ein weiteres Maul, das es zu stopfen galt. Auch die Probe ging alles andere als reibungslos über die Bühne. Polly war verkrampft, Edward Nestor nach Pollys vehementer Reaktion auf seinen Versuch, die Situation etwas zu entspannen, überängstlich, und Thomas war einfach nur erschöpft. Nun, da er sich sicher war, dass «ich außer ihm niemand mehr im Zuschauersaal befand, stand auch Nicholas auf und ging nach vorne zur Bühne.
Ich bitte um Entschuldigung, Thomas, aber ich glaube, euch allen würde eine Pause gut tun.«
Ich vermute, du hast Recht, Nick.« Thomas wischte sich die Stirn mit einem Taschentuch aus Kambrik ab. »Heute geht einfach alles schief. Nimm Polly und diesen verdammten Welpen mit nach Hause. Wir müssen uns heute Nachmittag eben einfach auf das Glück und die Götter verlassen.«
Polly trat an den Bühnenrand. »Der Welpe kann doch bei dir in den Ställen bleiben, oder, Nick?« »Ich sehe keinen Grund, warum er das nicht sollte«, entgegnete Nick mit sanfter Stimme, »und jetzt sag noch ein paar nette Worte zu Edward, Liebes. Er sieht so niedergeschlagen aus, was seinem Auftritt heute Nachmittag gewiss nicht gut tun wird.«
Polly warf einen Blick zu ihrem schuldbewussten Kollegen hinüber, ehe sie Nick ein reuevolles Lächeln schenkte und zu Edward ging. »Ich bitte dich um Entschuldigung, dass ich so böse zu dir war, Edward. Es war sehr ungerecht von mir, aber ich war einfach so erschüttert.«
Die Miene des jungen Mannes erhellte sich augenblicklich. »Oh, aber ich bitte dich, es war doch nicht der Rede wert, Polly Ich war auch etwas vorschnell. Wollen wir nachschauen, wie es dem kleinen Hund geht?« Einträchtig eilten die beiden hinter die Bühne, und Thomas stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Woher sollte ich denn auch wissen, dass sie sich so etwas so zu Herzen nehmen würde?«, fragte er Nick. »Dieses Biest war doch die reinste Nervensäge, ist einem andauernd vor die Füße gelaufen. Es konnte unmöglich hier bleiben. Wieso regt sie sich denn bloß so darüber auf?« Thomas zuckte beim Gedanken an die unergründlichen Stimmungsschwankungen der Schauspieler - und besonders der Schauspielerinnen - ratlos die Achseln. »Es scheint ihm wieder gut zu gehen.« Polly kam mit dem kleinen Hund auf dem Arm wieder zurück. »Ein bisschen erschöpft, aber er ist noch warm und atmet richtig.« Sie hielt ihn Nick zur Begutachtung hin. Ein wenig anziehendes Geschöpf, dachte Nick nüchtern, mager und mit viel zu großen Ohren und Pfoten. Aber andererseits war Hässlichkeit wohl kaum ein ausreichender Grund, um in einem nassen Grab enden zu müssen. Nicholas streckte die Arme aus und hob sowohl Polly als auch den Welpen in den Zuschauersaal. »Komm, lass uns nach Hause gehen. Wir werden ihn John Coachman geben. Er soll ihn mitnehmen.«
Draußen vor dem Theater zögerte Polly einen kleinen Moment. »Glaubst du, Buckingham hat etwas gemerkt, Nick?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Nick aufrichtig. »Hoffen wir einfach, dass wir uns schnell genug wieder unter Kontrolle hatten, um jeden Verdacht zu zerstreuen.«
Während der folgenden Woche wartete Buckingham erst einmal ab. Er sprach keinerlei Einladungen aus und schickte keine Geschenke. Zwar zeigte er sich in Mistress Wyats Gesellschaft nach wie vor sehr höflich, aber er wählte sie nicht aus, um ihr besondere
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