Lockruf Der Leidenschaft
Bett steigen.«
»Oh, du grausame Xanthippe!«, rief Nicholas. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so blutrünstig bist!« »Ich bin nur sorgsam auf mein Eigentum bedacht, Mylord«, entgegnete Polly betont liebenswürdig, ehe ihre Miene wieder ernst wurde. »Aber auch Seine Gnaden von Buckingham scheint dem Beispiel von Lady Castlemaine zu folgen. Denn seit er vor zwei Tagen hier angekommen ist, hatte er kaum ein Wort für mich übrig, weder ein höfliches noch ein böses. Ich habe getan, was du gesagt hast, und mich ihm gegenüber so verhalten, als hätte es dieses unselige Treffen niemals gegeben, aber er hat den Vorfall nicht vergessen. Ich weiß es.« Trotz der warmen Sommerluft erschauderte Polly. »Hast du bemerkt, wie er mich manchmal anstarrt?«
In der Tat hatte Nicholas es bemerkt, wenn Seine Gnaden Mistress Wyat verstohlen, aber immer noch mit diesem gierigen, lüsternen Ausdruck in den Augen anstarrte, und ihm war klar geworden, dass Buckingham das Feld keineswegs geräumt hatte. Dennoch sah er noch keinen unmittelbaren Anlass zur Beunruhigung. »Ich wüsste nicht, was er hier unternehmen sollte, um dir zu schaden«, entgegnete er. »Hier sind doch viel zu viele Augen auf ihn gerichtet. Nein, bis zum Herbst wird er seine Verärgerung gewiss wieder vergessen haben.« Polly zuckte die Achseln, doch seine Worte vermochten sie nicht ganz zu beruhigen. Seit Nicks Ankunft war gerade eine Woche vergangen, und bis zu Buckinghams Erscheinen hatte sich dieser Aufenthalt auf dem Lande als äußerst vergnüglich herausgestellt - von den kleinen Sticheleien der Mätresse des Königs und ihresgleichen sowie von Nicks Unnachgiebigkeit im Hinblick auf die Methoden seiner Reitstunden einmal abgesehen. Es wurden allerlei Arten der Zerstreuung geboten - Maskeraden und Bälle, Tennisspiele, Jagden und Falknerei -, und Polly musste feststellen, dass sie an alldem außergewöhnlich viel Vergnügen fand. Gelegentlich ließ Master Killigrew zur Belustigung des Königs ein Stück aus dem Stegreif aufführen. Dann wurde von Polly erwartet, dass sie sich ihren Platz am Hofe verdiente, was ihr jedoch nicht im Geringsten zur Last fiel. Selbst Nick, der sie in der Öffentlichkeit mit der in höfischen Kreisen gebotenen Gleichgültigkeit behandelte, ließ keine Gelegenheit aus, um mit ihr allein zu sein.
Während der Nächte ... Polly lächelte in sich hinein. Was sich hinter den verschlossenen Türen seines Schlafgemachs im Westflügel des Hauses abspielte, ging niemanden etwas an, nur sie beide. Wenn der Kammerdiener seiner Lordschaft am Morgen Mistress Wyat in dessen Bett vorfand, war er viel zu diskret, um sich auch nur die Spur von Verwunderung anmerken zu lassen. Insgeheim fand Polly es lächerlich, dass sie so tun musste, als wohnte sie in ihrem eigenen Appartement, dass sie ihre Kleidung dort aufbewahren musste und in dieser absurden Abgeschiedenheit auch ihre Toilette zu erledigen hatte.
Kincaid nahm die Gastfreundschaft des Grafen von Pembroke in Wilton House zwar gerne an, stellte seine Pferde aber in einem Gasthof im Dorf unter, da er keine Veranlassung sah, seinem Gastgeber - dem durch die Anwesenheit des Königs ohnedies enorme Kosten entstanden - noch zusätzlich zur Last zu fallen. Polly war sehr froh über dieses Arrangement, da dadurch gewährleistet war, dass die Peinlichkeiten ihrer Reitstunden somit unter ihnen und den Stallburschen des Gasthofes blieben. Auf ihren eindringlichen Wunsch hin ritten sie abseits der regulären Wege, auf denen Begegnungen wie jene, der sie gerade eben noch entgangen waren, nur selten waren. Als sie jedoch wenig später in den Stallhof des Gasthauses ritten und Polly beim Absteigen Kincaids Hand ergriff, traf sie den festen Entschluss, dass dies der letzte Ausritt dieser Art für sie war. Der Schecke schien sich ebenso sehr zu freuen, sie wieder los zu sein, wie umgekehrt, und trottete erleichtert davon. Langsam schlenderte Polly zum Boxengang, den langen, kunstvoll in Falten gelegten Reitrock über einen Arm geworfen. Vor einer der Boxen blieb sie stehen und spähte in das dämmrige Innere, wo eine Fliege umherschwirrte und aus dem ihr das kräftige Aroma von Pferd, Heu und Mist in die Nase stieg. Auf ein einladendes Schnalzen hin kam die Bewohnerin herbei. »Guten Morgen, Tiny«, murmelte Polly und streichelte die samtene Nase des zierlichen Geschöpfes, ehe sie den kräftigen Hals streichelte. Die Stute reckte sich wohlig, wieherte leise und drückte ihre Nase sanft in Pollys
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