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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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verzog das Gesicht. »Aber ich werde es versuchen.«
    Polly stand auf, ging zum Sekretär, um etwas Papier zu holen, schnitzte eine Gänsefeder zurecht und setzte sich damit an den Tisch. Sue trat hinter Polly und jauchzte voller Bewunderung, während Polly ihr die atemberaubende Kunst des Schreibens vorführte. »Wer liest ihm denn den Brief vor?«, fragte Polly, als sie das Schriftstück mit etwas Sand bestreute.
    »Oh, da wird sich schon jemand finden.« Susan betrachtete das Blatt eingehend. »Was heißt denn dieser Schnörkel da?«
    »Das ist bloß ein Schnörkel«, erklärte Polly bedauernd. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich keine sehr ruhige Hand habe. Aber dafür sind es weniger Tintenkleckse als normalerweise. Soll ich es dir vorlesen? Dann kannst du mir sagen, was noch in dem Brief stehen soll.«
    Diese Aufgabe hielt sie lange Zeit beschäftigt. Das Kaminfeuer erlosch, und die Kerzen begannen zu tropfen, doch Polly und Susan waren so konzentriert, dass sie nichts anderes mehr wahrnahmen, bis Polly plötzlich erschauderte. »Leg noch ein paar Kohlen in das Feuer, Sue. Sonst frieren wir uns hier noch zu Tode.« Plötzlich ertönte ein Geräusch von der Haustür, und die beiden Frauen fuhren erschrocken zusammen. »Das ist Nick«, sagte Polly, sobald sie die Schritte erkannte.
    »Was, zum Teufel, ist denn hier noch los?«, fragte Nick, als er den Salon betrat. »Es ist schon fast zwei Uhr früh.« »Oh, wir haben einen Brief an Oliver geschrieben«, erwiderte Polly fröhlich und streckte die Arme aus, um ihm einen Begrüßungskuss zu geben.
    »Dann muss der Himmel ihm schon ungewöhnliche Fähigkeiten schicken.« Nick warf seinen Mantel auf die kleine Sitzbank. »Ansonsten wird er dein Gekritzel niemals entschlüsseln können.«
    »Oh, du bist wirklich ungerecht«, rief Polly. »Ich habe ganz sauber geschrieben. Sieh doch.« Damit hielt sie ihm ihr Werk entgegen.
    Nick begutachtete den Brief, ehe er ihn ihr mit vorgetäuschter Verzweiflung zurückgab. »Deine Rechtschreibung ist wirklich entsetzlich, Polly Ich hätte eben doch den Stock benutzen sollen, als ich dich unterrichtet habe.« »Oh, deine Meinung interessiert mich nicht im Mindesten«, entgegnete Polly. »Der Brief drückt trotzdem aus, was Sue sagen möchte.«
    »Dann sollte er am besten sofort dem Boten übergeben werden.« Nick nahm seine Tonpfeife vom Kaminsims. »Und du gehst jetzt sofort ins Bett, Susan.«
    Er zündete die Pfeife an und blinzelte mit zusammengekniffenen Augen durch den zarten blauen Rauch, als ob er versuchte, sich über etwas klar zu werden.
    Polly stand reglos da, aus Furcht, eine Bewegung könnte ihn möglicherweise ablenken. Doch das durfte sie nicht riskieren, denn vielleicht verriet er ihr ja nun endlich sein Geheimnis. Doch in diesem Moment schob sich ein anderer, schrecklicher Gedanke in ihr Bewusstsein. Vielleicht hatte Nick tatsächlich beschlossen, sich eine Ehefrau zu suchen, und grübelte nun darüber nach, wie er es ihr am besten beibringen sollte.
    Doch in Wahrheit dachte Nicholas über die Unterhaltung nach, die er mit seinen Freunden geführt hatte. Für sie stand fest, dass sich die Abneigung des Königs gegen Kincaid aus irgendeinem unerfindlichen Grund noch verstärkt hatte. Zwar hatte man Nicholas seit der Rückkehr aus Wilton nicht den Zutritt zu Whitehall verweigert, dennoch gab man ihm das Gefühl, ein Aussätziger zu sein - ein Vorgehen, das in Zeiten der Verschwörungen und der Vorzugsbehandlung gewisser Favoriten - egal, ob diese nun real oder nur erfunden waren - sämtlichen Mitgliedern in Whitehall bestens bekannt war. In einer Gesellschaft, die sich durch das vollkommene Fehlen jeglichen Vertrauens zueinander auszeichnete, war niemand wirklich sicher. Zunächst machte sich eine gewisse Kühle bemerkbar, dann ein Mangel an Aufmerksamkeit. Als Nächstes kam das Stirnrunzeln, dann wurde einem der Rücken zugedreht und kein Gehör mehr geschenkt, und schließlich kam das Getuschel, das nur noch mehr Getuschel erzeugte. Und am Ende war der betroffene Mann auf dem Wege in die absolute Dunkelheit. In Nicholas' Fall hatten die Ereignisse dieses letzte Stadium bereits erreicht, doch er verstand das Ganze noch genauso wenig wie zu Weihnachten, als alles begonnen hatte. Auch keiner seiner Freunde konnte Licht in die Angelegenheit bringen. Sie wussten nur, dass Kincaid nun zur Persona non grata geworden war und dass man, wollte man nicht über den gleichen Kamm geschoren werden, sich am besten auch nicht

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