Lockruf Der Leidenschaft
Geschmack und deinen Prinzipien mein Haus unerträglich sein muss.« Er wusste ebenso gut wie Margaret, dass ihr Bruder, ein verarmter Landgeistlicher und Vater einer kinderreichen Familie, seiner Schwester nur schwerlich ein ständiges Zuhause bieten konnte.
Auf Margarets Gesicht zeichnete sich die schmerzliche Erkenntnis ab, dass sie dieses Mal zu weit gegangen war. Sie sieht aus, dachte Polly voller Schadenfreude, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Einen Moment lang war sie in Versuchung, die unbehagliche Situation, in der sich ihre Feindin gerade befand, mit einer gut gezielten Bemerkung zu ihrem Vorteil auszunutzen und sich für all die Ungerechtigkeiten und Gemeinheiten der letzten Wochen zu rächen. Doch dann wurde ihr klar, dass dies nur sie selbst in einem schlechten Licht dastehen ließe. Es wäre ein Benehmen, wie man es von einer gewöhnlichen Tavernendirne erwartete, womit sie Margarets Vorwürfe letztendlich nur noch bestätigt hätte. Sich gegen einen körperlichen Angriff zu wehren -welche Mittel einem auch immer gerade zur Verfügung standen -war eine Sache; aber es war etwas völlig anderes, einem Feind, der bereits am Boden lag, noch einen zusätzlichen Tritt zu versetzen.
»Ich warte in der Kutsche auf Euch, Sir«, erklärte Polly stattdessen würdevoll, raffte ihre Röcke und ging gemessenen Schrittes zur Tür, die ihr von einem faszinierten Tom geöffnet wurde. Der Bursche folgte ihr auch noch nach draußen, um ihr die Kutschentür zu öffnen und das Trittbrett herunterzuklappen. »Ich danke«, entgegnete Polly so herablassend wie eine Herzogin, ehe noch einmal der Übermut die Oberhand gewann. »Alte Kröte! Das geschieht ihr nur recht«, flüsterte sie und grinste Tom an, während sie sich auf dem Sitz zurechtsetzte. Tom prustete vor Lachen und beugte sich kurz vor, um noch eine kleine Vertraulichkeit mit ihr auszutauschen, ehe er sich hastig zurückzog, als Lord Kincaid die Treppe herunterkam. Seine Lordschaft musterte das leicht errötete Gesicht seines Pagen und warf einen scharfen Blick ins Innere der Kutsche. Pollys Augen funkelten vor teuflischer Durchtriebenheit.
Kincaid kletterte in die Equipage, sagte zu Tom, er könne zu Bett gehen, wann immer er wolle, und ließ sich in der Dunkelheit gegen die Polster sinken. Was auch immer diese beiden miteinander getuschelt haben mögen, so hat Polly sich doch eindeutig wieder gefangen, dachte Nicholas mit einem stillen Lächeln. Und für jemanden in einer so unsicheren Position wie Polly war ihre Vorstellung wirklich höchst eindrucksvoll gewesen.
Polly warf ihrem Begleiter einen Seitenblick zu, konnte aber den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht erkennen. »Ihr seid doch nicht böse, Sir, oder?«
»Böse!«, rief Nicholas. »Auf dich? Gütiger Gott, nein!«
»Darf ich dann fragen, wohin wir fahren, Mylord?«
Nicholas hörte den spitzbübischen Unterton aus Pollys melodischer Stimme heraus und stellte fest, dass Mistress Polly sich offenbar mehr als erholt hatte. »In die Drury Lane«, erklärte er und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Außerdem glaube ich, es ist Zeit, dass du damit beginnst, mich mit meinem Vornamen anzusprechen. Es gibt Augenblicke, in denen >Sir< und >Mylord< durchaus angemessen sind, in anderen jedoch sind sie es nicht. Und Letzterer ist nun gekommen.«
»Oh«, entgegnete Polly einige Minuten später und nahm den Beweis für diese Tatsache mit offensichtlichem Interesse auf. »Wenn Ihr das tut, soll ich Euch Nicholas nennen, nicht wahr?«
Wieder lag dieser sanfte Unterton in ihrer Stimme, gewürzt mit einem Anflug von Lasterhaftigkeit, worauf Nicholas' Nerven mit der köstlichsten aller Vorfreuden zu kribbeln begannen. Wenn er sich nicht sehr irrte, würde sich diese junge Dame am Ende als eine höchst einfallsreiche und verspielte Geliebte erweisen. »Wenn ich das tue und noch eine ganze Menge anderer Dinge«, erklärte er ihr und zog sie wieder in seine Arme.
Hewlett-Packard
7.
Als der Vierspänner zum Stehen kam, wurde Polly von einem eigentümlichen Gefühl - halb Angst, halb Jubel - erfasst. Nic, der Pollys Erregung spürte, drückte sie noch einmal beruhigend an sich, ehe er sich vorbeugte und schwungvoll die Tür aufstieß. Dicht wirbelte das Schneegestöber im gelben Schein der Laterne, die der Kutscher nun hoch erhoben hielt. Nick wartete nicht erst auf das Ausklappen des Trittbretts, sondern sprang hinaus, griff hinauf, fasste Polly um die Taille und hob sie neben sich auf den Boden.
»Ich brauche
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