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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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Kincaid verbracht hatte. Doch unter der Oberfläche der scheinbar alltäglichen Existenz hatte sie ein verborgenes Leben voller geheimer Sehnsüchte geführt, ein Leben der unausgesprochenen Versprechungen, der Visionen von Horizonten und Träumen, die sich hoffentlich eines Tages erfüllten. Nun sollte dieses geheime Dasein zu ihrem wirklichen Leben werden. Sie stand im Begriff, endlich vollkommen frei zu sein, all die Trübsal, die Brutalität und die Ausbeutung endgültig hinter sich zu lassen - mit anderen Worten, all das, was ihre Existenz bis zu diesem Nachmittag bestimmt hatte. Und doch mischte sich Angst unter ihre Erregung, Angst vor etwas, das sie bisher nur aus ihrer Fantasie kannte. Heute Nacht würde sie ihren Kopf auf ein fremdes Kissen betten, und der Beginn dieses neuen Lebens würde mit einer körperlichen Erfahrung verknüpft sein, nach der sie sich sehnte, auch wenn sie sich zugleich davor fürchtete.
    »O Polly, ich hab so große Angst um dich«, sagte Sue. »Ohne eine anständige Unterkunft und ein Zeugnis wird man dich als Stadtstreicherin nach Bridewell schicken. Dort spannen sie dich auf das Rad und peitschen dich aus. Und wenn du stiehlst -«
    »Dann lande ich in Newgate und beim Henker«, beendete Polly den Satz für sie. »Aber das wird nicht mein Schicksal sein, Sue. Mach dir keine Sorgen, auch wenn ich dir nicht sagen kann, was mich erwartet.« Polly schlang die Arme um ihre stämmige Freundin und drückte sie an sich. »Pass du lieber auf dich selbst auf. Besonders was Big Rob und seinesgleichen angeht! Irgendwo da draußen gibt es einen Ehemann für dich, der dich eines Tages von diesem schrecklichen Ort wegbringen wird.«
    »Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen«, murmelte Susan mit kläglicher Stimme. »Wenn du wirklich meinst, dass es dir gut gehen wird.«
    »Das wird es, aber ich muss allein gehen.« Polly wandte sich noch einmal ihrer Pritsche zu, auf der ihr Bündel lag es wirkte erbärmlich klein in dieser tristen, farblosen Kammer, die stellvertretend war für jeden der tristen, farblosen Augenblicke des Lebens, das sie nun endlich hinter sich lassen würde.
    »O Sue«, sagte Polly, während ihr Tränen in die Augen schossen, »ich wünschte, du könntest mitkommen.« Eilig drückte sie ihre Freundin noch einmal an sich, ehe sie nach ihrem Bündel griff und die schmale Holztreppe bis zum ersten Zwischengeschoss hinunterlief. Sie blieb noch einmal stehen, um sich zu sammeln, ehe sie die Haupttreppe mit der wohl dosierten Anmut hinabschritt, die den jungen Damen aus gutem Hause zu Eigen war. Doch Polly stand noch eine letzte Hürde bevor. In der mit Steinfliesen ausgelegten Halle wartete Lady Margaret - inzwischen wieder in einem sauberen Kleid und mit sauberen Schuhen -, und Boshaftigkeit, Zorn und Empörung drangen ihr aus jeder Pore. Denn statt diese verabscheuungswürdige Dirne kurzerhand vor die Tür zu setzen und sie wie es ihr ohne Geld oder Referenzen sicherlich beschieden sein würde - wieder in der Gosse landen zu lassen, aus der er sie aufgelesen hatte, nahm ihr Schwager diese Kreatur auch noch unter seine Fittiche und wollte sie sogar in seiner eigenen Kutsche aus dem Hause eskortieren!
    Neben Margaret stand Kincaid mit stoischer, ausdrucksloser Miene.
    »Und so eine willst du zu deiner Hure machen?«, fragte Lady Margaret eisig, und ihre Augen blitzten gehässig. »Ich muss schon sagen, ich hätte dich für anspruchsvoller gehalten, Schwager.«
    Polly erzitterte, und sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Nick trat an ihre Seite. »Sag nichts«, befahl er ihr mit eindringlicher Stimme. »Auf eine solche Anschuldigung brauchst du nicht zu antworten.« »Aber ich werde antworten -«
    »Dieses eine Mal tust du, was ich dir sage!« Nick, der erkannte, dass er diese hässliche Situation augenblicklich unter Kontrolle bringen musste, machte keinerlei Anstalten, die Schärfe in seiner Stimme zu mildern. Polly biss sich auf die Lippe und schwieg.
    Es fühlte sich an, als würde sie mit einem Mal von beiden Seiten gleichzeitig angegriffen werden. »Ich vermute, das Leben bei deinem Bruder in Leicester sollte wesentlich mehr nach deinem Geschmack sein, Margaret«, erklärte Nicholas mit trügerischer Freundlichkeit, während er seine Finger fest um Pollys Nacken schloss, eine Berührung, die sie beruhigen sollte, zugleich aber auch zum Schweigen ermahnte. »Ich werde über deine Abreise natürlich untröstlich sein, aber ich verstehe, dass für jemanden von deinem

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