Lockruf Der Leidenschaft
Vergnügungssucht des Königs Einhalt zu gebieten versuchte, wie einen langsamen, trägen Hund von sich zu stoßen. Er betrachtete es eben nicht als seine Aufgabe, das Unterhaus freundlich zu stimmen, damit es ihn auch zukünftig mit dem nötigen Geld versorgte, das er brauchte, um seinen Vergnügungen nachzugehen. Denn die Bewilligung dieser Summen war in seinen Augen schlicht und ergreifend die Pflicht des Parlaments. »Meine liebe Cousine«, entgegnete Buckingham bedächtig, »es liegt weder in deinem noch in meinem Interesse, den Absichten des Schatzkanzlers Vorschub zu leisten. Du tätest also besser daran, dich mit mir zu verbünden, statt dich auf meine Kosten zu amüsieren.« Er griff nach ihrer Hand, packte ihr Handgelenk und schüttelte den Spitzenbesatz zurück, unter dem ein mit Diamanten besetztes Armband zum Vorschein kam. Funkelnd warfen die Steine das Licht des Kerzenleuchters zurück. Die Diamanten waren von außergewöhnlicher Qualität und saßen in einer komplizierten Fassung, und Seine Gnaden untersuchte sie mit aufgesetzter Genauigkeit. »Ein wertvolles Stück, Madame«, urteilte er schließlich und hob erneut eine Augenbraue. »Ein Geschenk von Eurem Ehemann, nicht wahr?« Ohne Vorwarnung ließ er ihr Handgelenk fallen und musterte sie durchdringend. »Seht Euch vor, wen Ihr Euch zum Feinde macht, Mylady. Eines Tages werde ich über den König regieren, und wenn es so weit ist, werde ich mich sowohl meiner Freunde als auch meiner Feinde erinnern.« Seine Gnaden warf mit einer eleganten Kopfbewegung die schweren Locken seiner Perücke zurück und vollführte eine tiefe Verbeugung. Selbst jemandem, der mit wesentlich weniger Scharfsinn gesegnet war als Lady Castlemaine, wäre die Ironie, die in der Tiefe der Verbeugung nach einem solchen Vorwurf lag, nicht entgangen. Also vollführte sie einen ebenso tiefen Knicks. »Auch ich kann eine mächtige Freundin sein, Mylord. In der Abgeschiedenheit eines Schlafgemachs lässt sich so manches arrangieren.«
»Genau so ist es.« Buckingham lächelte. »Was auch der Grund ist, weshalb ich es vorziehen würde, dass du dort bleibst, Barbara.« Das Lächeln, das bisher nur um seine Lippen gespielt hatte, breitete sich weiter aus. »Ich vertraue einfach darauf, dass wir uns verstehen?«
»Absolut.« Lady Castlemaine wedelte sich mit ihrem Fächer ein wenig Luft zu und beobachtete, wie der Herzog von Buckingham zum König ging, der von seinem sorgenvollen Hofstaat umringt war. Sie alle zerbrachen sich gerade ganz offensichtlich die Köpfe darüber, wie sie die Langeweile ihres Königs zerstreuen könnten. Der Herzog verbeugte sich und sagte etwas, das Lady Castlemaine nicht hören konnte, jedoch mit einem dröhnenden Lachen des Königs quittiert wurde.
Ihre Ladyschaft fuhr sich ungeduldig mit den Fingern durchs Haar und zog es nach vorn über ihre Schultern. Vor nicht allzu langer Zeit war sie selbst kläglich bei dem Versuch gescheitert, das hervorzukitzeln, was Buckingham nun so bemerkenswert leicht gelungen war - das Lachen des Königs. Das war eine Lektion, die sie sich besser zu Herzen nahm. Seine Gnaden wäre schon bald der mächtigste Mann im Lande, und man konnte nie wissen, ob sein Einfluss nicht vielleicht sogar bis in das Schlafzimmer des Königs reichte und sich als Bedrohung für die Mätresse dort erwies. In jedem Fall war es nicht ratsam, es darauf ankommen zu lassen. Mit einem strahlenden Lächeln ging Lady Castlemaine hinüber, um sich zu dem lachenden Kreis um den König zu gesellen.
»Nicholas ... Nick! Oh, wach auf, komm schon!« Polly rüttelte ihn an der Schulter. »Es ist unglaublich! Du musst unbedingt kommen und dir das ansehen!«
Für einen Augenblick wusste Nicholas überhaupt nicht, wo er war, als ihn diese hartnäckige Stimme aus seinem tiefen Schlummer riss. Doch dann kehrte sein Erinnerungsvermögen zurück. Er rollte sich auf den Rücken und blinzelte schläfrig. Die Bettvorhänge waren zurückgezogen, doch das Licht im Zimmer schien noch immer schummrig und grau. »Du bist aber früh wach, Polly«
Polly machte ein verschmitztes Gesicht. »In dem Haushalt Eurer Schwester habe ich mich eben an das frühe Aufstehen gewöhnt, Sir. Lange im Bett zu liegen fördert nur die Werke des Teufels.« Ihre Stimme ähnelte der von Margaret auf geradezu unheimliche Art und Weise, und Nicholas brach in schallendes Gelächter aus. »Komm zurück ins Bett. Sonst erkältest du dich noch.«
»Nein ... Komm und sieh dir das an!« Polly riss mit
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