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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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kann doch nicht sein.« Meine Augen füllen sich mit Tränen. Das Bild von Mo wurde aus dem Rahmen geschnitten und entfernt. »Wer macht denn so etwas?«
    »Die Polizei sagte, die Diebe müssen über das Fenster ins Loft gekommen sein.«
    Das Fenster ist gekippt und ich sehe keinen Schaden daran. Ich bin mir aber sicher, dass es geschlossen war. Wie kann jemand von außen das Fenster öffnen?
    »In deinem Schrank wurde auch rumgewühlt, sieht aus, als hätten sie nach Geld gesucht.«
    »Ich habe kein Geld im Schrank gehabt. Nur den Schmuck von meiner Mom.«
    Klamotten wurden aus den Regalen gerissen und liegen verstreut herum. Den Schmuck, der in einem Beutel zwischen den Kleidern hängt, finde ich auf Anhieb. Entweder ist mein Versteck so gut oder man hat gar nicht danach gesucht. Ich finde sogar meine wertvolle Kamera, die in einem Fach im Schrank liegt. Der Akku steckt seit Tagen in der Steckdose zum Aufladen. Ich hatte ganz vergessen nach den Aufnahmen zu sehen, die ich in Newport aus dem Fenster gemacht habe. Lilith steht neben mir und sieht mich fragend an.
    »Ich hatte ein paar Aufnahmen von den jungen Leuten beim Krocket spielen gemacht. Ich will nur sehen, ob sie was geworden sind.«
    »Willst du nicht erst einmal unten nachsehen, ob was weg ist?«
    »Ja gleich.« Die Kamera gibt ein leises Piepen von sich als ich sie anmache. Die Fotos sind weg. Jemand muss sie gelöscht haben. Nur wer und vor allem warum? Die letzten sind die Sonnenuntergänge, danach kommt nichts mehr. Ich lege die Kamera zurück an ihren Platz und folge Lilith nach unten. »Wo warst du?«
    »Ich bin auch erst sehr spät nach Hause gekommen und habe gleich die Polizei gerufen.«
    Hier unten sind nur ein paar Gläser kaputtgemacht worden und eine meiner venezianischen Masken liegt auf dem Boden und hat einen Sprung. Alle anderen hängen noch an Ort und Stelle. Allerdings wurde auch hier ein Bild aus dem Rahmen geschnitten. Ein Bild von mir, für das man nicht einmal zehn Dollar bekommt.
     
    Ich liege im Bett und starre auf die leere Stelle an der Wand. Ich fasse es immer noch nicht, wie man mir ausgerechnet dieses Bild wegnehmen konnte. Erinnerungen verblassen mit der Zeit, Bilder und Fotos nicht. Sollte genau das damit bezweckt werden? Dass ich Mo vergesse?
    Je näher ich über den Einbruch nachdenke, desto eigenartiger kommt mir alles vor. Es sieht irgendwie gestellt aus, als ob mich jemand glauben machen will, dass eingebrochen wurde. Hat Mo sein Bild wieder mitgenommen? Aber dann hätte er sich nur das geholt und nicht stümperhaft Gläser zerschlagen.
     
    An jeder Ecke stehen Menschen, die sich Masken vor ihre Gesichter halten. Ich laufe durch eine enge Gasse und hoffe, dass der Nebel, der auf der Stadt liegt, mir den nötigen Vorsprung verschafft, um meine Verfolger abzuhängen. Das Echo ihrer Schritte begleitet mich auf Schritt und Tritt, aber wenn ich mich umdrehe, ist niemand zu sehen. Ich biege ab, laufe über eine der zahlreichen kleinen Brücken, die die Kanäle überqueren, als wie aus dem Nichts eine Gestalt vor mir auftaucht und mir den Weg versperrt. Es ist ein roter, lächelnder Joker. Er nimmt mich an der Hand und zieht mich in eine weitere Gasse hinein. Bei jeder Bewegung bimmeln die Glocken an seiner Mütze. An den Fenstern sehe ich Frauen stehen, ihre Augenhöhlen sind schwarz, ihre Gesichter bleich wie der Tod. Der Joker zieht mich weiter, immer weiter in die Stadt hinein, bis wir plötzlich vor einer Meute Menschen stehen. Sie alle sind verkleidet, ihre Gesichter im Schutz der unbewegten Masken, zeigen sie mit dem Finger auf mich. In der ersten Reihe steht Lilith, ich erkenne sie an ihrem blonden Haar. Sie reißt sich die Maske ab und ich sehe dahinter nur Leere und den Tod.
    »Lauf Leia«, sagt der Joker, aber ich kann mich nicht bewegen, klebe auf der Stelle fest. Sie stampfen mit den Füßen auf und kommen näher und näher. Der Joker lächelt, aber sein Lächeln ist plötzlich verzerrt und hässlich. Seine Zähne sind gelb, seine Haut grau-schwarz wie von einem Toten. Als er die Maske vom Gesicht nimmt, ist es Payton.

31.
    Ein Klopfen lässt mich wach werden, bevor die wilde Meute sich auf mich stürzen kann. Das Geräusch kommt von einer Krähe, die auf meinem Dach sitzt und mit ihrem Schnabel auf das Fenster einhackt. Ich sehe sie nicht das erste Mal. Sie hat auch schon auf dem kleinen Fenstersims im Wohnzimmer gesessen und an die Scheibe geklopft.
    Was für ein eigenartiger Traum. Er hinterlässt einen

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