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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach vorne und halte ihm am Arm fest. »Bitte tu mir das nicht an. Ich kann nicht ohne dich in meinem Herzen, in meinen Gedanken und in meinem Leben sein. Hole mich zu dir, wo immer das auch ist. Bitte …«
    »Willst du wie diese Frau in dem Verlies enden?« schleudert er mir wütend entgegen.
    Wie diese Frau würde ich nicht enden. Das weiß ich. Keine Liebe endet so. »Ich liebe dich und würde alles für dich tun«, sage ich deshalb mit ruhigem Gewissen.
    Er küsst mich auf die Stirn.
     

30.
    Ich wache auf und Mo ist weg. Wieder hinterlässt er in mir dieses schale Gefühl von Leere, Sinnlosigkeit und sterbenden Schmetterlingen in meinem Bauch. Nur dieses Mal werde ich versuchen, nicht wieder in ein Seelentief zu fallen. Ich schreibe alles auf, was er gesagt hat. Yven, immer wieder Yven. Gut, ich werde seinem Wunsch Folge leisten und mich mit seinem Bruder treffen.
    Ich stürze mich in die Arbeit, besuche gegen Mittag Mara, die mich stolz durch ihr fertig eingerichtetes Apartment führt. Es ist traumhaft schön geworden, ganz nach meinem Geschmack. In der Küche sehe ich die Folgen der Einsamkeit: In Hülle und Fülle leere Flaschen Wein und Champagner, die vor einem aufmerksamen Beobachter wie mir nicht zu verstecken sind. Eine Einweihungsparty hat sie nicht gemacht, sonst hätte sie mich sicherlich eingeladen und als sie den Kühlschrank öffnet, stapeln sich dort ebenfalls die Flaschen. Arme Mara.
    Je mehr ich mich darum bemühe, nicht an Mo zu denken, desto mehr denke ich an ihn. Jede Minute, jede Sekunde. Es ist schon krankhaft. Ich sehne mich so nach ihm, dass es wehtut. Aber ich werde diesen steinigen Weg gehen und ihn mir zurückholen.
    Am Abend fahre ich zu Yven. Er strahlt über das ganze Gesicht, als ich im sechzigsten Stock aus dem Fahrstuhl steige. Aufmerksam und zuvorkommend wie immer, nimmt er mir sofort meinen Trench ab. Der Tisch ist auf der Terrasse über den Dächern von New York gedeckt, überall stecken Fackeln in den Beeten und klassische Musik spielt im Hintergrund. Alles ein bisschen zu romantisch für meinen Geschmack.
    »Ich habe mir sagen lassen, dass du gerne japanisch isst, deshalb habe ich extra für heute Abend einen japanischen Koch engagiert, der uns etwas zaubern wird.«
    »Wirklich? Das ist ja großartig.« Ich liebe tatsächlich japanisches Essen und ich brauche auch gar nicht nachzufragen, von wem er diesen grandiosen Tipp bekommen hat. Lilith!
    »Hast du Hunger?«
    »Oh ja.« Ich habe den ganzen Tag nichts gegessen und tatsächlich verspüre ich ein klein wenig Hunger. Ob Mo weiß, dass ich heute Abend hier bin? Ich frage mich, ob er sich unsichtbar machen kann und uns gerade zusieht.
    Yven verschwindet kurz und kommt gleich darauf mit dem Koch wieder, der sich vor mir verbeugt und mit dem ganzen Gesicht grinst, wie es nur die Asiaten können.
    Yven zieht den Stuhl an der einen Seite der Tafel zurück, damit ich mich setzen kann. »Bitte Mylady.«
    Und dann wird aufgetischt. In vielen kleinen Schüsseln sind Leckereien, die kunstvoll angerichtet sind. Gegrilltes, Sautiertes und Paniertes in verschiedenen Formen, sodass ich nicht erkennen kann, ob es sich um Fleisch oder Gemüse handelt. Dazu Soßen in allen erdenklichen Farben, von süß bis super spicy, wie der Koch uns erklärt.
    Der Abend ist mild und sternenklar. Mo. Gibt es keinen Radiergummi, um den Namen aus meinem Kopf zu bekommen?
    »Erzähl mir was von dir, Leia.«
    Die Art von Fragen, die ich liebe. Sie sind so allgemein gehalten, dass ich am liebsten bei meinen Vorfahren aus dem 16. Jahrhundert anfangen würde. »Was möchtest du wissen?«
    »Seit wann lebst du in New York?«
    Ich fange also an, von meiner langweiligen Kindheit in Kalifornien zu erzählen, ohne auszulassen, dass sich meine Eltern scheiden ließen, als ich ein Jahr alt war und mein Vater, ein waschechter Italiener, zurück in seine Heimat ging. »Meine Mom lernte viele Jahre später einen New Yorker kennen und es dauerte keine zwei Monate, dann zogen wir von der Wärme in die Kälte.« Ende der Geschichte. Und nun möchte ich über ihn und seine Familie beziehungsweise über die drei Brüder mehr wissen. »Und du? Wo lebst du überhaupt?«
    »Überall und nirgends.«
    »Das klingt interessant, aber auch schrecklich.«
    Yven lacht. »Warum schrecklich?«
    »Weil ich ein sehr häuslicher Mensch bin. Ich verlasse ungern meine vier Wände. Natürlich reise ich auch, aber ich freue mich immer, wenn ich wieder in meinem eigenen Bett schlafen

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