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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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bitteren Nachgeschmack. Ich schreibe ihn in mein Traumbuch und blättere durch meine anderen Notizen. Komm zu mir in die Dunkelheit . Dazu fällt mir jetzt noch etwas anderes ein als nur der Tod. Das dunkle Verlies, in das ich Einblick haben durfte. Mo hatte mich gefragt, ob ich so enden will wie diese Frau. Es macht also keinen Sinn, dass er diesen Satz in mein Traumbuch oder an den Spiegel geschrieben hat, wenn er das gar nicht möchte. Das erste Mal hatte er mir das auf der Beerdigung zugeflüstert. Ich suche meine Aufzeichnungen darüber heraus und lese den letzten Satz, der mir das Blut in meinen Adern gefrieren lässt. Er sah mich mit seinen blauen Augen an, doch etwas hatte sich in ihnen verändert. Sie hatten plötzlich einen kleinen Grünstich.
     
    »Guten Morgen.«
    Es riecht nach Essen. In der Pfanne auf dem Herd sehe ich Rühreier mit Tomaten und Zwiebeln, so wie Lilith sie gerne isst. Sie stellt ihr schmutziges Geschirr in die Spülmaschine und schenkt sich Kaffee nach. Irgendwie ist sie anders seit gestern, vielleicht auch schon seit vorgestern oder seit unserer Reise. Ich kann es nicht genau sagen. Ihr Blick ist abschätzig, aber es liegt auch etwas anderes darin, was ich nicht deuten kann.
    »Gut geschlafen?«
    »Was denkst du, wie ich geschlafen habe?« Mein Ton ist abweisend.
    »Hab ja nur gefragt.«
    »Wo ist der Polizeibericht?«
    »Er liegt dort drüben auf dem Tisch.« Sie deutet mit dem Finger auf den Wohnzimmertisch.
    Ich schenke mir ebenfalls einen Kaffee ein und setze mich mit angezogenen Beinen aufs Sofa. Das Erste, was mir auffällt: ´ Der Dieb oder die Diebe haben sich vermutlich durch das offengelassene Dachfenster, das sich im Schlafzimmer befindet, Zugang zu dem Apartment von Ms. Walsh verschafft, da keine Spuren von Gewaltanwendung gefunden werden konnten. Nach Angaben der Mitbewohnerin Lilith Haley fehlen nur zwei Bilder …`
    Ich bin hundertprozentig sicher, dass das Fenster zu war, weil ich es nie aufmache. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Lilith mich beobachtet. Als ich sie ansehe, sieht sie schnell weg und greift nach ihrer Tasche. »Was ist mit Payton? Hat er sich gemeldet?«
    »Nein, noch nicht. Bis heute Abend, Leia.«
    »Bis heute Abend.« Ich sehe ihr nach. Ihr schlechtes Gewissen steht ihr mit leuchtenden Buchstaben auf die Stirn geschrieben. Ich bin mir fast sicher, dass sie das mit dem Bild war. Und ich weiß auch, wer dahinter steckt. Payton, der schöne, aber böse Mann mit dem Grünstich in den Augen. Ich spähe aus dem Fenster und warte, bis sie weggefahren ist.
    In ihrem Zimmer hebe ich die Matratze hoch, sehe in den Regalen, zwischen meinen Farben, unbenutzten Leinwänden und in ihren Kisten nach, die unausgepackt in dem kleinen Raum stehen. Die meisten sind voller Kleider und Schuhe. Lilith hat mindestens so viel Klamotten wie ich, wenn nicht sogar mehr. Und da sie hier kaum die Möglichkeit hat, ihre Sachen aufzuhängen lebt sie sozusagen aus dem Koffer. In einer der Kisten sind Bücher und Fotoalben. Eines davon hole ich heraus und gehe die Seiten durch. Es sind persönliche Fotos aus ihrer Kindheit mit ihren Eltern, Großeltern, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Fotos, die ich so nicht habe. Die Fotos mit meinem Vater und mir als Neugeborenes kann ich an einer Hand abzählen. Viele Verwandte hatten wir nicht, weil der eine Teil in Italien lebte und der andere nicht zur Verfügung stand. Meine Mom und ihre einzige Schwester Vera hatten in der Jugend das Kriegsbeil aus-und nie wieder eingegraben. Ein Grund, weshalb ich wohl auch ein Einzelkind blieb. Da die bloße Erwähnung des Namens Vera bei ihr schlechte Laune auslöste, erfuhr ich nie Näheres über meine Verwandte und auch nichts über die genaue Ursache des Streits.
    Meine Großmutter lernte ich auch erst sehr viel später kennen. Sie war mit der Heirat ihrer Tochter und dem italienischen Banausen, wie sie ihn nannte, nicht einverstanden und brach den Kontakt zu ihr kurzerhand ab. Der Stolz meiner Mom erlaubte es ihr nicht, sich bei ihrer Mutter zu melden, auch nicht, nachdem mein Vater sie verlassen hatte, sodass auch dort jahrelang Funkstille herrschte. Großmutter lernte ich erst in der Pubertät kennen, zu der Zeit, als Tante Vera bereits in der Nervenheilanstalt untergebracht war, in der sie auch bis zu ihrem Tod blieb. Ich klappe das Album zu und hole noch ein weiteres aus dem Karton. Es ist voller Zeitungsartikel und Fotos von Events aus den letzten fünf Jahren Galeriezeit. Die meisten sind

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