Lockruf Der Nacht
bedeuten?
Mara zuckt mit den Schultern. »Meinst du nicht, es liegt doch an der Kamera?« Sie sieht sich noch einmal das Foto von Mo an und ich sehe an ihrem Gesicht, dass sie von meiner Schattentheorie nicht so ganz überzeugt ist. »Eltringham!«, rufe ich aus.
»Was?«
»Die Familie heißt Eltringham.«
»Eltringham, Eltringham, Eltringham. Irgendwie sagt mir der Name etwas. Gibt´s ja auch nicht allzu häufig. Warte mal.« Sie nimmt ihr Telefon und zwinkert mir zu. Aus der Küche höre ich sie eine ganze Weile den üblichen Small Talk reden. Frauengeschnatter, wie Männer dazu sagen würden. Als sie zurückkommt, hat sie ein breites Grinsen im Gesicht. »Eine alte Freundin bei der Presse.«
Ungewollt fängt mein Herz an zu pochen. Ich habe ein ganz bestimmtes Gefühl, dass sie mir gleich etwas Wichtiges sagen wird.
»Die Eltringhams bestanden immer nur aus der Mutter und ihren drei Söhnen. Es gibt viele Gerüchte, woher die Familie ursprünglich stammt. Europa, Australien, Südafrika, keiner weiß etwas Genaues. Einen Mann scheint es mal vor über fünfundzwanzig Jahren gegeben zu haben. Der Vater von Yven Eltringham.«
Ich klebe an Maras Lippen und wünsche mir, sie würde schneller reden.
»Jetzt kommt ein interessanter Aspekt der Geschichte. Warte, ich hol noch eine neue Flasche.«
»Mara!«, schreie ich und renne hinter ihr her.
»Neugieriges kleines Ding. Okay, die beiden Jungs, Morris und Payton hatten vor vielen Jahren einen Unfall. Beide wurden für tot erklärt und wachten in der Leichenhalle wieder auf.« Mara sieht mich an und lacht. »Mach den Mund wieder zu, Leia.«
Ich habe die ganze Zeit unbewusst die Luft angehalten und atme jetzt tief ein und wieder aus. »Das ist doch nicht möglich?«
»Doch.«
»Das hört sich ja gruselig an.«
»Die Ärzte konnten es sich auch nicht erklären.«
»Was ist mit Yven, dem dritten Jungen?«
Mara schüttelt den Kopf. »Über ihn gibt es nichts zu berichten, außer dass er seit dem Tod der Mutter das Imperium leitet.«
»Allein?«
»Soweit man weiß, ja.«
Hatte Payton nicht Lilith erzählt er müsste geschäftlich nach Europa? »Was ist das für eine Firma?«
»Keine Ahnung. Aber sie haben die Finger überall drin. Medien, Immobilien, Pharmaindustrie, diverse Firmen wohl.«
»Und jetzt? Was heißt das?« Diese Anspannung hat mich müde gemacht und ich fühle ein Pochen an der Schläfe. Ein Anzeichen dafür, dass ich wieder Kopfschmerzen bekommen. Ich halte mir das kalte Glas gegen die Stirn und schließe für einen Moment die Augen.
»Da ist noch etwas, was ich dir erzählen möchte und was mir zu dem Ganzen einfällt.« Maras geheimnisvoller Ton lässt mich aufhorchen. »Als ich den Unfall hatte, von dem ich dir erzählt habe … ich weiß es klingt ein bisschen verrückt, aber … da hatte ich so eine Art Nahtoderfahrung. Zumindest nehme ich das an, nachdem was man so darüber hört und liest. Ich habe das Licht gesehen und Silhouetten von Menschen, die mir die Hände reichten, mir helfen wollten. Es war nichts Beängstigendes dabei, ganz im Gegenteil. Ich habe es seit damals Niemandem erzählt, weil die meisten mir nicht glaubten und meinten es wären die Stimmen der Ärzte gewesen und ich hätte das Licht der OP-Lampe gesehen. Aber ich weiß, was ich gesehen und gefühlt habe.«
33.
Ich weiß noch nicht genau, was ich mit all diesen Informationen des heutigen Abends anfangen soll, aber die Aussage von Mara über ihre Nahtoderfahrung erklärt vielleicht in irgendeiner Weise den Schatten auf einigen Fotos. Auch den von Morris und Payton. Aber es erklärt nicht, dass jemand plötzlich in meinem Zimmer erscheinen kann oder in meinen Träumen herumspaziert.
Als ich nach Hause komme, ist Lilith noch nicht da. Ich packe zögernd einen kleinen Koffer für meinen Trip nach Paris und habe ein Gedankenkarussell im Kopf, das nicht aufhören will, sich zu drehen.
Mo ist zwar eine reale Person geworden, ich habe ihm vis-à-vis gegenüber gestanden und mit ihm geredet, aber was macht mich so sicher, dass der Rest nicht nur meiner blühenden Fantasie entsprungen ist? Darauf habe ich keine Antwort. Die Verletzungen, die ich mir bei dem Sturz durch den Wald zugezogen habe, das Blatt in meinem Haar … Lilith würde sagen, das ist kein Beweis, weil ich schlafwandle und Selbstgespräche führe.
Immer wieder kommt mir meine Tante Vera in den Sinn und dann habe ich einen Gedankenblitz. Rose, die älteste Freundin meiner Mutter. Sie lebt in Arizona
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