Lockruf der Toten / Magischer Thriller
viel Zeit damit, mir Gedanken über meine Garderobe zu machen. Das Outfit, das ich hätte tragen sollen, bestand aus einem Tanktop aus Seidencrepe in dunklem Orange zu einem schmalen schokoladenbraunen Rock und einem passenden taillierten Jäckchen – ein Kostüm des Typs, wie man es in einem alten Film noir hätte sehen können. Sexy und elegant mit einem hübschen, amüsanten Retro-Element. Der Stil stand mir, immer ein Grund zur Erleichterung – es gibt nichts Schlimmeres, als einen umwerfenden neuen Trend zu entdecken und loszurennen, um sich etwas in dieser Art zu besorgen, nur um dann festzustellen, dass man damit aussieht wie eine biedere Vorstadthausfrau mittleren Alters. Oder, noch schlimmer, wie eine biedere Vorstadthausfrau mittleren Alters, die sich einbildet, immer noch eine heiße Zwanzigjährige zu sein.
Aber sollte ich das Ensemble heute tragen, obwohl ich Jeremy vielleicht erst gegen Abend sehen würde? Oder es für diesen Moment aufsparen? Nicht unbedingt ein unlösbares Dilemma, aber eine Methode, den Moment hinauszuschieben, in dem ich meinen Kollegen gegenübertreten musste – so lange, bis ich mir sicher sein konnte, wach und konzentriert und der Aufgabe gewachsen zu sein, sie auf meine Seite zu bekommen. Irgendwann, nachdem ich die eine oder andere modische Alternative ausprobiert hatte, zog ich das Ensemble wieder an und ging nach unten.
Als ich mich dem Esszimmer näherte, veranlasste das dort herrschende Schweigen mich, einen Blick auf meinen Terminplaner zu werfen – nur um mich zu vergewissern, dass ich den Plan für den Tag nicht missverstanden hatte. Noch drei Schritte, und ich konnte immerhin leises Stimmengemurmel hören. Angelique saß allein an einem Ende des Tischs, Grady und Claudia am anderen, wo sie sich im Flüsterton unterhielten und Angelique ignorierten.
Der Tote hing jetzt durch einen Teller mit Melonenspalten hindurch. Ich versuchte, ihn nicht zu beachten.
»Guten Morgen«, sagte ich, während ich auf einen Stuhl glitt.
Grady zögerte nur eine Sekunde lang, bevor die guten Manieren die Oberhand gewannen und er mir eine Tasse Kaffee eingoss. Ich bedankte mich mit einem strahlenden Lächeln und streckte die Hand nach einem Stück Cantaloupe aus. Als die Finger des toten Mannes das Obst streiften, kam ich zu dem Schluss, dass ich eher Appetit auf Muffins hatte.
Angeliques Augen wurden rund. »Du isst immer noch Kohlenhydrate? O mein Gott, du bist so tapfer.«
»Von wegen«, sagte ich lachend. »Ich werde dafür büßen, wenn ich nachher den Reißverschluss nicht mehr zubekomme.«
Ich nahm einen großen Bissen und begann mit Genuss zu kauen. Angelique versuchte ihre Speichelfäden unter Kontrolle zu halten.
»Ich habe einfach eine Schwäche für das süße Zeug«, erklärte ich. »Und nach gestern Abend kann ich’s brauchen. Ich bin eigentlich daran gewöhnt, sehr viel mehr Zeit zum Vorbereiten zu haben. Meine Nerven haben sich immer noch nicht ganz erholt.«
Grady taute jetzt immerhin weit genug auf, um zu antworten. »Es ist ein bisschen plötzlicher gekommen, als auch mir lieb war.«
»Ich hoffe wirklich, da kommt nicht noch mehr von der Sorte. Kein Mensch hat mir gegenüber irgendwas von Aufwärmséancen gesagt.«
»Zu mir auch nicht.« Claudia schnitt ein Muffin durch und nahm sich eine Hälfte. »Ich werde mit Becky drüber reden müssen.«
»Gut. Ich bin es einfach nicht gewöhnt, so zu arbeiten. Es war mir wirklich unangenehm, dass ich Angelique unterbrochen habe.« Ich wandte mich direkt an sie. »Es tut mir sehr leid. Ich war einfach mit den Nerven runter.«
Sie studierte mein Gesicht, als suchte sie nach einem Anzeichen von Unaufrichtigkeit, und nickte dann. »Ich bin vielleicht auch ein bisschen nervös gewesen. Ich bin nicht dran gewöhnt, vor der Kamera zu arbeiten.«
»Du bist auch auf Liveshows spezialisiert, stimmt’s? Das Fernsehen ist ein total anderes Medium, und ich habe noch nicht viel Erfahrung damit.« Ich grinste zu Grady hinüber. »Aber wir haben einen Profi hier, und wenn wir uns benehmen, gibt er uns vielleicht ein paar Tipps.«
»Oh, gut, alle schon da«, sagte Becky, als sie zur Tür hereingeschossen kam. »Habt ihr Frühstück gekriegt? Es tut mir leid, dass ich so spät dran bin.«
Sie fiel auf den Stuhl neben meinem. Ich füllte ihre Kaffeetasse.
»Danke. Du hast keine Ahnung, wie gut ich das brauchen kann. Ich war die halbe Nacht auf den Beinen. Erst hab ich Mr. Simon anrufen müssen, und der hat gleich von mir
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