Lockruf der Toten / Magischer Thriller
ab, als bestehe die Gefahr, dass er sich beim Übertreten schmutzig gemacht hatte. »Du versuchst seit einer ganzen Weile, zu ihr durchzukommen, und ganz offensichtlich stimmt irgendwas nicht, also dachte ich, ich frage mal nach, was es ist.« Er warf einen Blick auf die Armbanduhr.
»Wenn du es eilig hast, Kristof …«
»Ich bin bei Gericht, aber ich habe um zehn Minuten Pause gebeten.«
Ein Jenseits mit Anwälten, dreiteiligen Anzügen und Armbanduhren. Hätte ich jemals einen Beweis dafür gebraucht, dass es Kristof Nast in eine Höllendimension verschlagen hatte, dann bekam ich ihn wohl.
»Gibt es eine Möglichkeit, über dich an Eve heranzukommen?«
»Ich kann’s versuchen. Eigentlich sollte sie nicht gestört werden, aber wenn es dringend ist, kann ich eine Sondergenehmigung beantragen. Ich nehme an, es ist dringend?«
Etwas in seinem Blick flehte mich geradezu an zu sagen, dass es das war, aber bei Kristof empfahl es sich, vorsichtig zu sein. »Na ja, ich bin mir nicht sicher, ob es
dringend
ist …«
»Wenn du mir sagst, dass es das ist – mehr brauche ich nicht.«
Aha. Ich war also nicht die Einzige, die keinen Kontakt zu Eve herstellen konnte. Und deshalb war er hier – ganz sicher nicht, um mir zu helfen. Meine einzige Begegnung mit Kristof zu seinen Lebzeiten – nicht persönlich natürlich, sondern über seine Angestellten – war nicht dazu angetan gewesen, eine Freundschaft zu begründen. Eve war das Einzige, was wir gemeinsam hatten.
»Wenn du zu ihr durchkämst und es nicht um etwas Wichtiges ginge, wäre Eve dann sauer?«
»Kaum. Sie wäre froh über die Abwechslung.« Seine Augen glitzerten. »Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sie dankbar wäre.«
»Wo sie auch ist, sie ist also nicht auf eigenen Wunsch dort?«
Sein Lächeln verblasste. »Du weißt, dass ich darüber nicht reden kann. Aber wenn du sie brauchst, was du offensichtlich tust, kann ich beantragen …«
»Und wenn es nicht wirklich dringend ist – würde Eve dann in Schwierigkeiten geraten?«
Das ließ ihn innehalten. »Sie kann ja schließlich nicht wissen, was du für dringend hältst …« Wieder eine Pause; dann seufzte er. »
Ist
es dringend?«
War es. Für mich. Aber ich hatte den Verdacht, »Jaime-Vegas-vor-lästigen-Geistern-Retten« war nicht die Sorte von Problem, dessentwegen man irgendwelche Gottheiten in Anspruch nehmen sollte, und so sagte ich: »Streng genommen nicht.«
Er fluchte leise. Und fragte dann widerwillig: »Gibt es irgendwas, das ich tun kann?«
Er fragte das höchst ungern. Aber sie würde wollen, dass er fragte, und nur das zählte für ihn.
Ich hätte mich nach rituellen Opfern erkundigen können. Aber Magier wie Kristof Nast führen keine schwarzmagischen Rituale durch – sie haben Angestellte, die das für sie erledigen. Und so bedankte ich mich für die Zeit, die er erübrigt hatte, und sah zu, wie er verschwand.
Damit war wohl der Zeitpunkt gekommen, es bei anderen Leuten zu versuchen. Jeremy hatte Paige und Lucas vorgeschlagen, und tatsächlich war dies der logische nächste Schritt. Paige war die Vertreterin der Hexen im paranormalen Rat. Mit siebenundzwanzig Jahren war sie die Jüngste unter den Delegierten, und die Tatkräftigste war sie auch – allein ihr bei der Arbeit zuzusehen war ermüdend.
Für Paige bedeutete es eine Lebensaufgabe, anderen Paranormalen zu helfen. Zusammen mit ihrem Ehemann Lucas leitete sie eine kombinierte Detektei/Anwaltskanzlei, die sich darauf spezialisiert hatte, Paranormale vor den Kabalen zu schützen – den Mafiafirmen unserer Welt. Die Tatsache, dass Lucas’ Vater Hauptgeschäftsführer der mächtigsten dieser Kabalen war, machte ihnen das Leben nicht gerade einfacher.
Selbstverständlich würden sie mir helfen … sobald sie konnten. Diese Geister würden bleiben, wo sie waren, und ich war schließlich nicht in Gefahr. Wer es auch war, dem sie gerade halfen – diese Person
war
wahrscheinlich in Gefahr. Ich konnte nicht erwarten, dass sie meinetwegen alles stehen und liegen ließen, aber ich wusste, sie würden mich anhören, wenn ich auf ihrer Türschwelle auftauchte und um ein, zwei Stunden ihrer Zeit bat. Ich konnte ihnen das Problem beschreiben, mir ihre Ansichten dazu anhören und sie dann bitten, mir ihre Bibliothek oder ihre Datenbanken zur Verfügung zu stellen. Die restliche Recherche musste ich selbst erledigen.
Meinem Terminkalender zufolge hatte ich heute nur noch eine Aufgabe. Ich hätte mit den
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