Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
kleiner Splitter landete auf meiner Wange, und ich fuhr zusammen und hielt dann wieder still. Molly führte den Zweig wie einen Stift und tat so, als schriebe sie etwas.
    »Ein schönes großes N vielleicht. Damit die Welt weiß, was wir anderen von dir halten – eine Nutte, die ihre Gaben einsetzt, um das schnelle Geld zu machen.«
    Die Spitze berührte meine Haut. Ich biss die Zähne zusammen und wappnete mich für das Kommende. Ich würde jetzt nicht darüber nachdenken, was sie mir antun konnte – mir und meiner Karriere.
    »Oder vielleicht ist das immer noch nicht überzeugend genug …«, sagte Molly.
    Sie hob den Zweig, bis er auf gleicher Höhe mit meinem rechten Auge war. Ich versuchte instinktiv, die Augen zu schließen, und stellte fest, dass ich in einem Bindezauber gefangen war; meine Augen waren offen, der brennende Zweig kam näher; das Ende glühte rot.
    Die Panik schien in meinem Gehirn nur so zu explodieren.
    Molly lachte. »Das ist besser. Jetzt bringen wir’s doch hinter uns, andernfalls wirst du wirklich Schwierigkeiten haben, dich blind aus diesem Wald herauszutasten.« Sie sagte es so beiläufig, als hätte sie mir gerade gedroht, meine Fingernägel abzubrechen.
    Sie stand auf, streckte die Beine und begann mich zu umkreisen. »Derjenige, der dich hergeschickt hat. Es war Mike, oder?«
    Eine Sekunde lang schien mein Hirn leerzulaufen. Wer war Mike? Dann fiel es mir wieder ein. Ihr verstorbener Lebensgefährte.
    Sie machte keine Anstalten, mir den Knebel abzunehmen; sie ging einfach um mich herum und schwenkte ihren Zweig. Ein paar Sekunden lang hatte ich das fast unwiderstehliche Bedürfnis zu kichern und dachte:
Die Szene habe ich doch schon mal gesehen.
Nur dass dies leider kein schlechter Film war, und so lächerlich das Ganze auch aussehen mochte mit dieser Vorstadthausfrau, die hier die Inquisitorin spielte, es war nichts Komisches daran. Sie konnte genau das tun, was sie mir angedroht hatte, und nach dem Ausdruck auf ihrem Gesicht zu urteilen, würde sie es auch tun. Sie konnte mir die Augen ausbrennen, um an ihre Informationen zu kommen, mich dann umbringen, meine Leiche im Sumpf entsorgen und schließlich ihre Töchter anrufen und ihnen sagen, sie sollten doch bitte die Hausaufgaben fertig haben, wenn sie mit dem Abendessen nach Hause kam.
    »Mike hat sich an dich gewandt«, fuhr sie fort, »und dann hast du beschlossen, mir diese alberne Geschichte mit den gefangenen Geistern zu erzählen, bei der du meine Hilfe brauchst, und dafür würdest du
ihn
kontaktieren. Ich wüsste nur gern, warum. Hat der Rat dich geschickt? Oder machst du das auf eigene Rechnung in der Hoffnung, dass ich dich dafür besteche, es dem Rat
nicht
zu erzählen?«
    Schlagartig fügten sich die Puzzleteile zusammen. Was hätte ihr toter Lebensgefährte mir denn erzählen können, das der Rat sich dann näher ansehen würde? Oder mit dem ich
sie
hätte erpressen können, damit eine Untersuchung ausblieb? Der Beweis dafür, dass die trauernde Witwe so unglücklich gar nicht war.
    »Hast du vor zu reden?«, fragte Molly, während sie vor mir in die Hocke ging.
    Ich nickte. Als sie mir den Knebel herunterriss, jagten meine Gedanken. Ich hätte darauf hinweisen können, dass die Geister der Ermordeten sich kaum je an die Umstände ihres eigenen Todes erinnern, aber das würde ihr nur bestätigen, dass ich wusste, er war ermordet worden.
    »Es ist eine Ratssache«, sagte ich. »Ich bin an deinem Haus vorbeigegangen, weil ich erst mal einen Blick drauf werfen wollte, während ich auf meinen Partner wartete. Dann hast du die Tür aufgemacht, und ich hatte keine Wahl mehr, ich habe ohne ihn anfangen müssen.«
    An ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass dies genau das war, was sie befürchtet hatte. Hätte mein Besuch sich als ein Erpressungsversuch herausgestellt, dann wäre die Sache einfach gewesen. Sie hätte mich nur umzubringen brauchen, und die Angelegenheit wäre erledigt. Wenn bereits andere Bescheid wussten, würde es nicht so einfach sein.
    Sie setzte sich wieder nach hinten. »Mike hat dir also erzählt, was passiert ist, und du bist damit zu deinem Partner gegangen …«
    Mit anderen Worten: Bitte sag mir, dass es nur einen einzigen Mitwisser gibt.
    »Ich habe das Problem beim letzten Ratstreffen zur Sprache gebracht. Das ist die etablierte Vorgehensweise, und ich bin noch ziemlich neu, also halte ich mich an die. Sie haben mir einen Partner zugeordnet – den Rudelalpha der Werwölfe«, setzte ich

Weitere Kostenlose Bücher