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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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versuchten sie, mir Folge zu leisten. Aber bald setzte das Gewisper wieder ein, und die Liebkosungen wurden zu kleinen Stößen und Piksern. Wie bei leicht abzulenkenden Kindern.
    Ein kalter Schauer ging durch mich hindurch.
    Solange ich tat, was sie wollten, streichelten und tätschelten sie mich. Behandelten sie mich, als wäre ich ein Kind? Oder belohnten sie mich auf die einzige Art, die sie kannten?
    Ich stand auf. Eine Hand, die an meiner Jacke gezupft hatte, ließ los, ebenso eine andere, die mein Haar berührt hatte. Das Flüstern setzte sich fort, aber es klang jetzt leiser. Finger zupften an meinem Rocksaum, als versuchte ein Kind, meine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie zogen, pikten, stießen mich an … und wenn das nicht genug war, begannen sie zu kneifen und zu schlagen.
    Unmöglich. Nekromanten haben kaum jemals mit kindlichen Geistern zu tun. Es gab Geschichten von Geistern im Alter junger Erwachsener, die Kontakt aufgenommen hatten und von denen sich später herausstellte, dass sie als Kinder gestorben waren, danach aber zur Reife herangewachsen waren, damit sie ihr Nachleben nicht im Körper eines Kindes verbringen mussten.
    Wie konnte es möglich sein, dass der Geist eines Kindes ein Kind blieb? Nur wenn er zwischen den Dimensionen gefangen war – außerstande, auf unsere Seite einzuwirken und sich helfen zu lassen, außerstande, überzutreten und erwachsen zu werden.
    Das war es, was ich hier hatte – keine erwachsenen Geister, sondern Kinder, die zwischen den Welten gefangen waren. Und Kinder konnte ich nicht einfach bannen. Ich würde ihnen helfen müssen.
    Als sie sich zum ersten Mal bemerkbar gemacht hatten, hatte ich geglaubt, es sei ein zufälliges Zusammentreffen. Derlei passiert dauernd. Ich gehe an einen Ort, der mir neu ist, und errege die Aufmerksamkeit von ein paar Geistern. Aber war das wirklich alles? Ein Zufall? Es hatte sich eben einfach so ergeben, dass ich in einem Haus voller gefangener Geister untergebracht war? Ausgerechnet ich, eine Nekromantin mit Verbindungen zum Rest der paranormalen Welt, also jemand, der zur Lösung dieses Rätsels prädestiniert war …
    Dort, wo andere Leute Zufall sehen, sehe ich Schicksal. Und wenn ich das Schicksal sehe, dann sehe ich die Hand einer höheren Macht am Werk. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir »Gott« auf eine Art vorstelle, die auch andere Leute wiedererkennen würden, aber ich stelle mir jemanden vor – eine wohlwollende Wesenheit, vielleicht nicht so allmächtig, wie wir es uns wünschen würden, aber eine an uns interessierte Wesenheit mit der Fähigkeit, uns zu beobachten, und der Macht, etwas zu unternehmen.
    Vielleicht konnte diese höhere Macht die Geister nicht ohne Unterstützung befreien. Oder vielleicht war das nicht ihre Aufgabe – wir müssen unsere Probleme selbst lösen, und sie hatte bereits ihr Bestes getan, denn sie hatte jemanden hierhergeführt, in dieses Haus, der vielleicht helfen konnte. Vielleicht hatte ich eine viel zu hohe Meinung von mir selbst, wenn ich mir einbildete, dass ich diese Person war – aber ich hatte nichtsdestoweniger den Eindruck, dass man mir eine Aufgabe gestellt hatte, und ich würde den Teufel tun und mich dieser Aufgabe verweigern.
    Ich ging auf dem gepflasterten Gartenweg auf und ab, Eves Ring in der Hand.
    »Himmeldonnerwetter«, murmelte ich vor mich hin. »Du hast gesagt, ich kann dich rufen. Okay, ich rufe dich jetzt, und du ignorierst mich in deinem eigenen Interesse lieber nicht, du arroganter Kabalenhu…«
    Ein Geräusch hinter mir. Ich drehte mich um. Dort stand Kristof mit … Schlittschuhen an den Füßen. Und in der Hand etwas, von dem ich mir ziemlich sicher war, dass es ein Eishockeyschläger war.
    »›Hurensohn‹ ist das Wort, nach dem du gerade gesucht hast«, sagte er. »Gut, ich nehme an, es hätte auch ›Hund‹ sein können. Arroganter Kabalenhund. Was akkurat und nicht mal sonderlich beleidigend gewesen wäre.«
    Er stützte sich auf seinen Stock und sah nachdenklich aus. »Oder vielleicht …«
    »Ich wollte damit nicht sagen …«
    »Doch, natürlich wolltest du. Ich habe dich nicht ignoriert, Jaime. Wenn du schon seit einer Weile nach mir gerufen hast, dann fürchte ich, ich habe dich nicht gehört. Aber jetzt bin ich da.«
    »Wenn du zu tun hast …«
    »Ich war bloß auf der Strafbank. Wie üblich. Die Zeit kann ich genauso gut hier verbringen.« Eine gemurmelte Beschwörung. Der Schläger verschwand, und aus den Schlittschuhen wurden Schuhe.

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