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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Er war ein Opfer des Pembertonschen Wahnsinns geworden. Die Geschichten von grausamen Morden und seltsamen Todesfällen reichen Generationen zurück. Einige der Schauermärchen, die man über Pemberton Hurst hört, beruhen auf wahren Ereignissen; sie haben ihren Ursprung in unserer Familiengeschichte, und sie sind der Grund, daß die Einheimischen uns meiden. Wir gelten als verflucht, und mit Recht, Leyla. Denn durch das schreckliche Erbe, das wir in uns tragen, ist jeder Pemberton zu einem Schicksal verdammt, das in seiner Grausamkeit kaum vorstellbar ist.«
    Ich sah todmüde zu ihm auf. Ich war so erschöpft und schwach, als hätte ich eine endlos lange Reise hinter mir. »Jeder Pemberton?« fragte ich.
    Er nickte. »Jeder und jede. Der Geschichte zufolge, die unser Großvater, Sir John, mir erzählte, ist keinem einzigen der Pembertons hier auf Pemberton Hurst das schreckliche Schicksal erspart geblieben. Alle endeten im Wahnsinn. Wir sind eine Familie, die rettungslos verloren ist.« Rettungslos verloren. Ohne Hoffnung dem Unvermeidlichen ausgeliefert. Das war also die bedrückende Ausstrahlung, die mir von Henry entgegengekommen war. Aufgrund einer undeutlichen Erinnerung aus meiner Kindheit vielleicht, hatte ich beim Anblick meines Onkels gewußt, daß er verloren war, ein Verdammter. »Das ist doch nicht möglich, Colin. Ich kann das nicht glauben.«
    »Was glaubst du denn, warum deine Mutter dich von hier fortgebracht hat? Damit du dich nicht daran erinnerst, was du im Wäldchen gesehen hattest? Das auch vielleicht, ja. Aber ich bin überzeugt, daß sie dich von hier fortbrachte, weil sie hoffte, dir damit das Schicksal ersparen zu können, das dich erwartet.«
    »Nein, nein, nein«, sagte ich mehrmals. »Das glaube ich nicht.«
    »Unser Großvater nahm sich das Leben, indem er sich vom Ostturm stürzte. Sein Bruder Michael vergiftete sich. Und so ist es in der ganzen Familiengeschichte zu verfolgen, Leyla, du kannst zurückgehen so weit du willst. Meinem Vater wurde dieses Schicksal dadurch erspart, daß er bei einem Unfall ums Leben kam. Sonst wäre er den gleichen Weg gegangen wie alle Pembertons.«
    »Ich fühle mich elend, Colin. Bring mich ins Haus zurück.« Schwankend standen wir beide auf. Das, was er befürchtet hatte, daß ich ihm böse sein würde, weil er mir die Wahrheit gesagt hatte, war jetzt eingetreten. Colin hatte mir Schlimmes zugefügt; er hatte mein Leben in einen Alptraum verwandelt, und in diesem Augenblick richtete sich mein ganzer Zorn gegen ihn.
    Er schien es zu spüren, vielleicht an meinem veränderten Ton, vielleicht an der Tatsache, daß ich seinen Blick mied; denn er sagte tief bekümmert: »Ich wollte dir das alles nicht erzählen. Ich wußte, daß es dich nur unglücklich machen würde. Aber du wolltest es unbedingt wissen. Du hast darauf bestanden, es zu erfahren. Meine einzige Hoffnung ist jetzt, daß du unverzüglich Pemberton Hurst verläßt, Leyla, zurück nach London gehst, und dort ein neues Leben mit deinem zukünftigen Ehemann anfängst. Vergiß uns. Denk nie wieder an uns.«
    Wir traten aus dem Stall in den peitschenden Wind und kehrten schweigend zum Haus zurück. Colin stützte mich, als wir die Treppe hinaufstiegen und ins Haus traten, das still und düster war, wie von dunklen Vorahnungen erfüllt. Als wir vor meiner Zimmertür standen, stieß ich ihn weg, um ihm zu beweisen, daß ich allein stehen konnte, und sagte bitter: »Ich werde Pemberton Hurst niemals verlassen.«
    »Aber es macht dich doch nur unglücklich, wenn du bleibst.« Ich schüttelte heftig den Kopf. Ich hätte es nicht erklären oder in Worte fassen können, aber ich wußte tief im Innern, daß ich noch bleiben mußte.
    Als er sich zum Gehen wandte, sagte ich: »Du kannst Großmutter ausrichten, daß ich wie verabredet zum Tee zu ihr kommen werde.«
    Ich stand in meinem Zimmer vor dem großen Spiegel über dem Toilettentisch und straffte die Schultern wie ein Soldat, der Haltung annimmt. Vor mir lag möglicherweise einer der bedeutsamsten Augenblicke meines Lebens. Großmutter Abigail war offensichtlich eine sehr bedeutende Persönlichkeit, und ich vermutete, daß sie – und nicht Henry – über die Familie und das Vermögen herrschte. Und wenn meine Vermutung richtig war, daß Abigail Pemberton wie eine Königin Pemberton Hurst regierte, dann hatte sie auch die Antworten auf die vielen Fragen, die ich ihr vorzulegen gedachte. Fragen, die meine Vorfahren betrafen, meine eigene Vergangenheit,

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