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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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sondern werden als seuchenartiges Fiber bezeichnet. Daneben gibt es Fiberkrankheiten anderer Art, deren Bösartigkeit und Ansteckungskraft geringer zu sein scheinen…«
    Ich blätterte weiter. Es folgten Beschreibungen verschiedener seuchenartiger Krankheiten, die, wenn sie einmal ausbrachen, zahllose Opfer forderten. Ich las aufmerksam und genau, aber ich fand nichts, was mir von Belang erschien.
    Als ich das Buch schon schließen wollte, fiel mein Blick auf folgenden Satz: »Es gibt jedoch noch eine andere Fiberkrankheit, die in ihren Symptomen von der Pest abweicht; sie ist nämlich nicht seuchenartiger Natur.«
    Diese letzte Feststellung machte mich hellhörig. Ich zog die Lampe näher heran und las auf der nächsten Seite weiter.
    »Als dieses Fieber das erstemal auftrat, zeigte sich, daß es nicht zu heilen ist und unweigerlich zum Tode führt. Seine Geschichte beweist, daß diese Krankheit, die wir als Gehirnfieber bezeichnen und die auf heimtückische Weise mit dem Auftreten außerordentlich bösartiger Symptome immer wiederkehrt, auf gewisse belastete Familien beschränkt ist. Eine besondere Beobachtung machte ich um die Sommersonnenwende am Sohne Sir Geoffreys von Pember Town, einer Gemeinde südlich von London. Mir wurde berichtet, daß der hochgeschätzte Sir Geoffrey das gleiche Schicksal erlitten hatte, das dem Sohn drohte, der nunmehr von den Symptomen des Fiebers gepeinigt wurde, nämlich Delirium, Wahnsinn, Raserei, Abgestumpftheit, Schläfrigkeit, Schwindelgefühle, Zittern der Gliedmaßen und krampfartige Zuckungen und verschiedene andere Störungen. Alle diese wiesen auf die schwere Verletzung des Gehirns. Nach dem Tod des Vaters und des Sohnes hatte ich Gelegenheit, die Gehirne beider zu untersuchen, da ich von Amts wegen die Genehmigung erhielt, die Natur der Pember Town Krankheit zu erforschen, und ich entdeckte eine Giftgeschwulst. Dieses Geschwulst wucherte im Gehirn und zerstörte die Blutgefäße, so daß keinerlei Mittel halfen und die Opfer von der Krankheit nicht befreit werden konnten. In dem Haus auf dem Hügel, wo Sir Geoffrey und sein Sohn der Krankheit erlagen, leben noch andere Mitglieder der heimgesuchten Familie, die das gleiche Schicksal erleiden werden, denn es ist Gottes Wille, daß der Tumor geboren wird und wächst, daß die Behandlungen der Ärzte nichts gegen ihn fruchten und das Gehirnfieber oder ›Pember Town Fieber‹ sich den geläufigen Arzneien nicht beugt.«
    Lange saß ich, das aufgeschlagene Buch auf meinem Schoß, reglos da und starrte auf die letzten Worte. Über diesen kurzen Bericht hinaus, der 1674 geschrieben war, erwähnte Thomas Willis nichts über das sogenannte Gehirnfieber. Die nächste Seite begann mit den Worten, ›Ein häufiges Symptom bei Fibererkrankungen ist Diarrhöe… ‹; das Folgende hatte mit der Krankheit der Familie Pemberton nichts mehr zu tun. Dieses kleine Beispiel war, wie die anderen in diesem Buch, knapp und eindrucksvoll und brauchte keine weiteren Erläuterungen. Thomas Willis, seinerzeit ein berühmter Arzt, war auf dem Gebiet der Fieber- und Gehirnerkrankungen eine Persönlichkeit gewesen und war nach Pemberton Hurst gerufen worden, um die hier ansässige Familie zu behandeln. Die Pemberton Krankheit war keine Seuche; sie traf immer nur diese eine Familie.
    Mir traten Tränen in die Augen. Es stimmte also. Seit zweihundert Jahren oder mehr war die Familie mit dieser grauenvollen Krankheit geschlagen, und es gab kein Entrinnen.
    Ich weiß nicht, wann ich endlich vom Sofa aufstand und zu Bett ging. Ich weiß nur noch, daß schon das Morgenlicht durch die Ritze zwischen den Vorhängen fiel und die besondere, durchdringende Kälte des frühen Morgens mich frösteln machte. Ich hatte die ganze Nacht gelesen. So hoffnungslos, wie ich mich in meinem Leben noch nie gefühlt hatte, kroch ich unter die Decke und lag lange Zeit wie versteinert. Vor meinen Augen stand das Bild von Thomas Willis, dem Mann, der die Pemberton Krankheit entdeckt und beschrieben hatte, und ich wußte nicht, ob ich ihn dafür verfluchen oder segnen sollte. Immerhin wußte ich nun, dank seiner Darstellung, den Grund für die Angst in dieser Familie. Ich hatte jetzt die Erklärungen, nach denen ich gesucht hatte. Es gab tatsächlich den Wahnsinn der Pembertons, und er nistete in einem Gehirntumor, dessen Keim jeder Nachfahre Sir Geoffreys von Pember Town bereits in sich trug.
    Auch mein Vater war also ein Opfer dieser Krankheit gewesen. Und im Delirium hatte er

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