Lockruf des Blutes
hat mir erzählt, warum. Ich habe ein bisschen nachgeforscht, das FBI informiert, und die haben ihn geschnappt.«
Dieselbe Geschichte habe ich auch von Darryl gehört. Ich werfe einen Seitenblick auf Frey; seine Miene wirkt hart. »Trotzdem hast du Boston verlassen.«
»Unsere Schulaufsicht war sehr konservativ. Ich hatte dort praktisch keine Zukunft mehr, sobald die Gerüchte in Umlauf waren. Es spielte auch keine Rolle, dass sie völlig aus der Luft gegriffen waren. Sie haben mir immerhin das Zugeständnis gemacht, dass ich selbst kündigen durfte, mit besten Empfehlungen. So habe ich die Stelle hier bekommen.«
Er verfällt in Schweigen, fügt aber dann leise hinzu: »Du weißt hoffentlich, dass die Sache für Trish damit noch nicht vorbei ist. Ihre Videos sind schon da draußen im Netz.«
Ich weiß. Ich wollte es mir nur nicht laut eingestehen müssen. Ich zucke mit den Schultern. »Hoffentlich hat Darryl ordentlich Buch geführt. Ich werde jeden einzelnen Dreckskerl von Kunden aufspüren, und wenn es den Rest meines Lebens dauert.«
Die Absurdität dieser Bemerkung bringt Frey zum Lachen. Ich weiß, warum.
Manchmal vergesse ich eben, was ich bin.
Wir nähern uns Darryls Straße. Frey zieht sich das Hemd über den Kopf und windet sich aus seiner Hose. Er bemerkt, dass ich ihn beobachte, und grinst.
»Es bekommt meiner Garderobe besser, wenn ich das jetzt mache. Und ich brauche nachher schließlich wieder etwas zum Anziehen, nicht wahr?«
Letzte Nacht habe ich kaum genauer auf Freys Körper geachtet. Ich war zu sehr mit der Frage beschäftigt, ob ich das geplante Abendessen sein könnte. Heute ist das anders. Unwillkürlich unterziehe ich ihn einer kurzen, sehr wohlwollenden Musterung. Freys Brust und Schultern sind breit und kräftig, Arme und Oberschenkel muskulös und straff.
»Mann, Frey. Ich bin beeindruckt.«
Er schlüpft aus seinen Gucci-Slippern und wirft sie auf den Rücksitz. Jetzt trägt er nur noch eine sehr kurze Unterhose. Als er mich ansieht, bekomme ich vor intensiver körperlicher Wahrnehmung eine Gänsehaut.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und warte.
»Weiter gehe ich beim ersten Date nie«, sagt er.
Ich stoße die Luft aus und warte, bis mein Herz wieder normal schlägt und die Hitze von meiner Haut verfliegt.
Was zum Teufel denke ich mir eigentlich dabei?
Ich halte an der nächsten Querstraße vor Darryls Haus, reiße meine Gedanken aus finsteren Abgründen zurück und erkläre Frey, welches Haus Darryls ist. »Ich gehe von vorn rein und locke ihn heraus, damit du dich hintenherum reinschleichen kannst.«
Falls er meinen unwillkürlichen Ausflug ins Reich der erotischen Fantasie mitbekommen hat, lässt er sich nichts anmerken. Er nickt nur und blickt sich um. »Ich verwandle mich aber erst in seinem Garten. Hier ist es ziemlich ruhig. Sollte eigentlich kein Problem sein.«
»Wie kommst du über diese Zäune?«
»Wie eine Katze.«
Er steigt aus dem Auto und verschwindet schneller, als ich erwartet habe. Gleich darauf höre ich das wütende Gebell eines Hundes ein paar Häuser weiter. Dann ein schmerzvolles, kurzes Jaulen und Stille. Ich will lieber nicht wissen, warum er aufgehört hat zu bellen.
Kapitel 43
I ch parke ein paar Häuser weiter, steige aus und stecke die Schlüssel in die Tasche. Es ist eigenartig still hier für einen ganz normalen Morgen. Keine Pendler machen sich auf den Weg zur Arbeit, keine Kinder warten an der Ecke auf den Schulbus. Ich sehe, wie sich die Kante einer Wohnzimmergardine sacht auf und ab bewegt, als ich auf dem Bürgersteig vorbeigehe, aber solange ich in Bewegung bleibe, werde ich wohl keine unerwünschte Aufmerksamkeit erregen.
Auch vor Darryls Haus ist alles still. Ich erwarte den Chevy Suburban, der vor meiner Garage stand, hier zu sehen – Fehlanzeige. Darryls Garagentor ist aber offen, und der VW steht drin. Ich freue mich, dass wir ihn zu Hause antreffen werden.
Ich werfe einen Blick auf das Tor. Es ist mit einer schweren Kette und einem gewaltigen Vorhängeschloss gesichert. Trotzdem fällt es mir nicht schwer, das Tor mit einem Tritt zu öffnen. Und der Lärm, als das schmiedeeiserne Ding auf die Einfahrt kracht, hat die gewünschte Wirkung.
Darryl tritt aus der Haustür.
Er starrt mich an. Seine Miene drückt weder Überraschung noch Ärger aus, sondern ehe eine milde Neugier. Sein Hemd und seine Jeans sind mit feuchtem Blut getränkt. Ich rieche es sogar auf diese Entfernung. Normalerweise wäre das genug, um meinen Hunger
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