Lockruf des Blutes
sofort damit an.«
»Und was kann ich tun?«, fragt Max.
Ich hatte einen Moment lang ganz vergessen, dass er da ist. »Danke, Max«, erwidere ich und lächle ihm zu. »Ich weiß es zu schätzen, dass du mir helfen willst.« Eine Pause entsteht, während ich versuche, mir etwas für ihn einfallen zu lassen, aber es wird ein unbehaglicher Moment.
Max stellt seinen Becher auf den Tisch und steht auf. »Na ja, ich sollte mich wohl lieber bei den Jungs in der Stadt blicken lassen. Vielleicht können wir heute Abend zusammen essen.«
Sein Blick ist reserviert, doch seine Enttäuschung ist mir nicht entgangen. Ich begleite ihn zur Tür. »Tut mir leid, dass ich den Tag nicht mit dir verbringen kann«, sage ich und strecke mich, um ihm die Arme um den Hals zu schlingen. »Ehrlich.«
Sein Körper entspannt sich an meinem, doch dann richtet er sich wieder auf und greift nach dem Türknauf. »Ich bin in meinem alten Büro im Federal Building, falls du mich brauchen solltest«, sagt er. »Und sag mir wegen heute Abend Bescheid.« Über meinen Kopf hinweg nickt er David zu, dann ist er verschwunden.
Die Schule meiner Mutter liegt in La Mesa, gut zwanzig Kilometer östlich von San Diego. Dies ist das erste Mal, dass eine Schülerin der Valley Vista High School ermordet wurde. Ich habe so ein Gefühl, dass die Medien sich darauf stürzen werden.
Und so ist es. Ich zähle vier Übertragungswagen auf dem Besucherparkplatz. Mom hat mich angewiesen, den Personalparkplatz zu benutzen, also fahre ich vorsichtig durch eine Traube von Reportern und besorgten Eltern zur Rückseite des Gebäudes. Die meisten Parkplätze sind voll, deshalb nehme ich an, dass die Lehrer und Verwaltungsangestellten sich bereits in der Versammlung befinden, die meine Mutter für acht Uhr anberaumt hat.
Als ich das Schulgelände selbst betrete, werde ich von einem uniformierten Wachmann angesprochen. Er will meinen Ausweis sehen, und ich zeige ihn vor. Er hakt meinen Namen auf seinem Klemmbrett ab und fragt höflich, ob ich wüsste, wie ich zum Verwaltungsgebäude komme. Ich versichere ihm, dass ich den Weg kenne. Ihm fällt offenbar nicht auf, dass mein Nachname derselbe ist wie der der Schulrektorin, daher glaube ich, dass er nur kurzfristig hier Dienst tut.
Die Valley Vista High ist eine typisch südkalifornische Schule. Offen, weitläufig; die Gebäude sind einstöckig, ockerfarben verputzt, mit roten Ziegeldächern. Wie die meisten Schulen in der Gegend ist der Campus abgeschlossen, das heißt, die Schüler dürfen ihn in der Mittagspause nicht verlassen. Deshalb gibt es hier viele Grünflächen mit Tischen und Bänken. Aus Beton, nicht aus Holz. Hält hormongesteuerte Teenager davon ab, ihre lüsternen Wünsche in Bänke und Tische zu ritzen. Gegen Schmierereien ist jedoch auch Beton nicht gewappnet, und ganz gleich, wie streng die Sicherheitsvorkehrungen sind, ein wild entschlossener Schüler wird es schaffen, eine Dose Farbspray auf das Gelände zu schmuggeln und sein Territorium zu markieren wie ein Straßenköter.
Ein Angestellter ist gerade dabei, die künstlerischen Bemühungen der letzten Nacht von einer Bank zu schrubben, als ich vorbeigehe. Er blickt auf, nickt mir zu und kümmert sich wieder um seine Arbeit. Zumindest hier, hinter der Schule, geht alles seinen gewohnten Gang.
Nicht jedoch im Bürotrakt. Ich entdecke meine Mutter durch ihre offene Bürotür. Sie spricht gerade mit zwei uniformierten Polizisten. Sie stehen hinter jemandem, der mit dem Rücken zu mir sitzt. Als sie mich bemerkt, krümmt sie den Zeigefinger, um mich hereinzuwinken.
Ich bin kaum durch die Tür, als die Person im Sessel sich zu mir umdreht. Mein Herz macht einen Satz. Es ist Polizeichef Warren Williams, und als wir uns das letzte Mal begegnet sind, hätte ich ihn beinahe umgebracht.
Kapitel 7
W arren Williams ist ein Vampir. Ein richtig alter Vampir, der sich so gut in die menschliche Gesellschaft integriert hat, dass er einen Posten wie den des Polizeichefs besetzen kann und niemand, außer anderen Übernatürlichen, etwas von der Wahrheit ahnt. Unsere Konfrontation vor zwei Monaten endete damit, dass er sich in einen komaartigen Zustand zurückzog, der »Stasis« genannt wird. Ich verstehe immer noch nicht ganz, was bei unserem Kampf genau passiert ist. Und das will ich auch gar nicht. Williams hat mir damals gesagt, ich sei »die Auserwählte«, und hat Anspielungen auf meine angebliche mysteriöse Bestimmung gemacht, die weder er noch Avery mir je
Weitere Kostenlose Bücher