Lockruf des Blutes
erklärt haben. Nach Averys Tod hat Williams sich wieder vollständig erholt. Er hat seither oft versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen, vermutlich, um sich mit mir auszusöhnen, aber ich war nicht bereit, ihn zu sehen.
Das bin ich immer noch nicht.
Williams erhebt sich und streckt mir die Hand entgegen. Offenbar sind von unserem Kampf keine Narben zurückgeblieben. Seine graugrünen Augen blicken in meine, und ich fühle keinerlei Bosheit in ihren Tiefen. Dennoch drücke ich seine Hand eher argwöhnisch.
Er lächelt und sagt: »Miss Strong. Freut mich, Sie kennenzulernen. Ihre Mutter sagt, Sie hätten sich erboten, heute auf dem Campus zu helfen.« Seine Gedanken senden mir eine völlig andere Botschaft. Anna. Wir müssen uns unterhalten. Averys Nachlass muss geregelt werden. Die Leute fangen an, Fragen zu stellen, was sein Verschwinden betrifft. Das Krankenhaus will die Behörden einschalten.
Ich lasse seine Hand los, lächle und ignoriere die zweite Botschaft. »Freut mich ebenfalls.« Ich werfe meiner Mutter einen Blick zu und sehe dann wieder ihn an. »Ich weiß keine Einzelheiten über Barbara Francos Tod. Ich nehme an, Sie sind hier, um uns zu informieren.«
Seine Augen werden schmal und dunkel. Du kannst das nicht einfach ignorieren. Ich möchte, dass wir uns heute Abend treffen. In Averys Villa.
Nein. Falls du nur deshalb hierhergekommen bist, war das ein Fehler. Du hättest jemand anderen schicken sollen. Ich werde mich mit dem Krankenhaus in Verbindung setzen. Ich schicke ihnen eine letzte Nachricht von Avery – sein Kündigungsschreiben. Damit erkaufen wir uns etwas mehr Zeit.
Ich rücke von ihm ab und gehe um den Schreibtisch herum zu meiner Mutter. »Was ist mit dem Mädchen passiert?«
Williams beobachtet mich noch einen Moment lang. Dann ist der Sturm vorüber, seine Augen werden wieder zu ruhigen, tiefen Teichen. Das könnte funktionieren. Vorerst. Aber wir müssen uns unterhalten. Über dich.
Er fängt das kaum merkliche Nicken auf, mit dem ich seine Bemerkung quittiere. Ich weiß ja, dass er recht hat. Und ich will diese Nörgelei ein für alle Mal abstellen.
Auch diesen Gedanken fängt er auf.
Er lächelt kalt und bedeutet Mom und mir, dass wir uns setzen sollten. In der Ecke steht noch ein Besucherstuhl, und ich ziehe ihn heran, so dass meine Mutter und ich Williams am Schreibtisch gegenübersitzen.
»Barbara Francos Leiche wurde gestern Morgen von einem Jogger im Cuyamaca State Park gefunden«, beginnt er. »Sie wurde geschlagen, sexuell missbraucht und erwürgt. Im Augenblick haben wir weder einen Verdächtigen noch ein Tatmotiv. Sie hatte weder männliche noch weibliche Geliebte. Es gibt weder in ihrer Familie noch in ihrem näheren Umfeld jemanden, der als Sexualstraftäter im Verdacht stünde. Zumindest niemanden, von dem wir wüssten. Natürlich ermitteln wir intensiv in diese Richtung.«
Er macht eine kurze Pause und sieht mich an.
Ich begreife sofort. Du glaubst, ein Übernatürlicher könnte sie getötet haben?
Einiges weist darauf hin. Meine Leute arbeiten daran. Nach der Autopsie wissen wir mehr.
Du sagst mir doch Bescheid?
Ich melde mich.
All das tauschen wir binnen eines Herzschlags aus. Ich spüre, wie meine Mutter neben mir rastlos hin und her rutscht. Ich weiß, dass sie mit unserer Entscheidung von gestern Abend ringt, die Polizei nicht über Trish und Frey und die mögliche Verbindung zu Barbaras Mord zu informieren. Doch falls Barbaras Mörder ein Übernatürlicher ist, haben vielleicht weder Trish noch Frey irgendetwas damit zu tun.
Und Trish könnte in noch größerer Gefahr schweben, als wir bisher angenommen haben. Aber ich will Williams nicht ins Vertrauen ziehen, was Trish angeht. Bevor Mom etwas sagen kann, frage ich rasch: »Werden Ihre Leute den ganzen Tag lang auf dem Schulgelände sein?«
Williams nickt mit argwöhnischer Miene. Er vermutet, dass ich ihm etwas verschweige, doch ich habe meine Gedanken abgeschirmt, und diese mentale Barriere kann er nicht durchdringen. Er sagt: »Unsere Ermittler werden Schüler und Lehrer befragen. Ihre Mutter hat uns eigens das Büro der Schülerberatung dafür angeboten.«
Ich lege Mom eine Hand auf den Arm. »Lassen wir Chief Williams seine Leute organisieren. Du musst jetzt die Lehrerschaft informieren, nicht?«
Sie holt tief Luft und fährt sich mit einer Hand übers Gesicht. »Ja. Chief Williams, meine Sekretärin wird Ihren Leuten das Büro zeigen. Möchten Sie auch ein paar Worte an die Lehrerschaft
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