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Lockruf des Blutes

Lockruf des Blutes

Titel: Lockruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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nichts an.«
    Sein Tonfall klingt trocken und sachlich, doch sein Gesicht wirkt grimmig vor Abscheu. Ich zermartere mir das Hirn, womit ich ihn ablenken könnte, während ich mir die Videos ansehe. »Möchtest du vielleicht fernsehen?« Etwas anderes fällt mir nicht ein.
    Er schüttelt den Kopf. »Nein. Ich habe Hausaufgaben dabei. Die kann ich inzwischen machen. Aber ich hätte gern etwas zu trinken.«
    »Klar. Im Kühlschrank steht Cola. Bedien dich.« Mit dem Daumen zeige ich in Richtung Küche.
    Er verschwindet, und ich wappne mich für die widerlichste Arbeit, die ich je erledigen musste. Doch er ist wieder da, ehe ich mich überwinden konnte, auf die Taste zu drücken. Er hat eine Dose Cola in der Hand und sieht mich stirnrunzelnd an.
    »Da ist ja gar nichts zu essen drin. Essen Sie denn nie?«

Kapitel 34
    R yan akzeptiert meine Erklärung, dass ich nichts zu essen im Haus habe, weil ich nur auswärts esse. Immer. Es folgt ein lichterer Moment an einem Nachmittag, von dem ich nur noch Finsteres erwarte. Er lässt sich in einem Sessel nieder und holt ein Schulbuch, einen eselsohrigen Block und einen abgekauten Bleistift aus seinem Rucksack. Gleich darauf ist er glücklicherweise in seine Hausaufgaben vertieft, und ich zwinge mich, meine eigene Aufgabe in Angriff zu nehmen.
    Ryan hat gesagt, die Dateien seien in umgekehrter chronologischer Reihenfolge geordnet. Ich drücke auf die Taste, und der Film läuft an. Die Aufnahmen wurden mit einer Digitalkamera gemacht, und die Tonqualität ist nicht besonders gut. Aber diese Bilder brauchen keinen Ton. Ich sehe keine Details, anhand derer man jemanden identifizieren könnte. Da sind nur Hände und nackte Haut und Trishs junges, verängstigtes Gesicht.
    Ich merke gar nicht, wie angespannt ich bin, bis der Film plötzlich in Schwärze endet. Meine Hände sind zu Fäusten geballt. In meinen Augen brennen zornige Tränen.
    Ryans Stimme lässt mich zusammenzucken. »Ziemlich übel, oder?«
    Er hat mich beobachtet, und ich habe es nicht bemerkt. Ich bringe es nicht über mich, ihn anzusehen.
    »Das ist schlimmer als übel.« Ich klappe den Bildschirm des Laptops herunter. »Ich glaube nicht, dass ich mir noch mehr davon anschauen kann.«
    Er seufzt tief. »Dieser letzte ist der schlimmste. Danach wusste Trish, dass sie weglaufen muss. Haben Sie gesehen, wie sie sie geschlagen haben? Das haben sie zum ersten Mal gemacht. Der Kerl hat ihr wirklich weh getan. Sie wusste, dass es nur noch schlimmer werden kann.«
    Ich presse die Handflächen gegen meine Augen. »Und Carolyn war immer dabei?«
    Er nickt.
    Ich ersticke fast an der Wut, die mir die Kehle zuschnürt. Was Carolyn angetan wurde, war lange nicht schlimm genug. Ryans ruhiger, wachsamer Blick bringt mich wieder zur Besinnung. Er erwartet, dass ich jetzt etwas unternehme. Ich weiß, dass ich mir dieses Video noch einmal ansehen muss. Ich war so gebannt von den grässlichen Dingen, die Trish erdulden musste, dass ich nicht genug auf das Monster geachtet habe, das ihr das angetan hat.
    »Ich muss es mir noch einmal anschauen. Wir müssen etwas finden, womit wir den Mann identifizieren können, der Trish weh getan hat.«
    Ryan zuckt mit den Schultern. »Da ist nichts. Ich habe es mir angeschaut und wirklich gut aufgepasst. Er achtet darauf, dass sein Gesicht nie im Bild ist.«
    Da hat er vermutlich recht. Trotzdem klappe ich den Laptop wieder auf und lasse den Film noch einmal laufen. Diesmal konzentriere ich mich ausschließlich auf den Mann. Als er im Bild erscheint, um Trish vom Bett zu heben, bleibt die Kamera auf Hüfthöhe. Er trägt Jeans, ein T-Shirt, einen Ledergürtel. Seine Hände sind groß, die Arme braungebrannt und kräftig. Keine Tattoos. Keine Narben. Er trägt auch keinen Schmuck, keinen Ring, keine Uhr.
    Als er Trish wieder aufs Bett legt, ist nur sein Hinterkopf zu sehen. Sein Haar ist dunkelbraun, beinahe schulterlang, und verbirgt Nacken und Schultern. Es bewegt sich irgendwie unnatürlich, und ich erkenne sofort, dass das eine Perücke sein muss. Das Kunsthaar fällt ihm so tief vors Gesicht, dass nicht einmal sein Profil zu sehen ist.
    Ich lasse den Film bis zum Ende laufen und lehne mich dann auf dem Sofa zurück.
    Der Kerl war schlau. Es ist praktisch unmöglich, ihn anhand dessen, was ich gesehen habe, zu identifizieren. Seine Kleidung, Jeans, blaues T-Shirt, Ledergürtel – nichts Besonderes oder Auffälliges.
    Ich spüre erneut Ryans Blick. »Ich hatte recht, nicht wahr?«
    »Du würdest

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