Lockruf des Blutes
die negative Energie loszuwerden, die meine Laune verdüstert. Ich blicke mich in der Wohnung um. Zumindest werde ich jetzt bald hier ausziehen und wieder in meinem eigenen Haus wohnen können. Das erinnert mich daran, dass ich noch gar nicht dazu gekommen bin, meine neuen Möbel liefern zu lassen. Die Nummer des Möbelgeschäfts habe ich in der Handtasche. Nachdem ich dort angerufen und die Lieferung für Samstag vereinbart habe, fühle ich mich tatsächlich schon besser. Samstag. In drei Tagen werde ich wieder zu Hause einziehen. Außerdem werde ich das Ergebnis des Gentests abholen können und feststellen, wie gut Sorrel wirklich ist.
Drei Tage.
Kapitel 33
D ie Mission Bay High School liegt an der Grand Avenue, einer der meistbefahrenen Straßen von San Diego. Als die Schule gebaut wurde, war hier nicht so viel los. Die MBH ist eine der ältesten Schulen in diesem Bezirk, und so sieht sie auch aus. Die Gebäude sind von der Sonne gebleicht und müssten dringend frisch gestrichen werden. Die kärgliche Gestaltung der Grünflächen leidet offensichtlich sehr unter dem beständigen Ansturm salzhaltiger Luft und dem Trampeln von tausendsiebenhundert Paar Schülerfüße jedes Jahr. Das Gras ist braun, und ein paar zerzauste Büsche kämpfen ums Überleben. Aber immerhin hat die Schule ein Windsurfing-Team, was sie bei den Teenagern sehr beliebt macht und die finanzielle Unterstützung der Eltern sichert.
Fünf Minuten vor Schulschluss komme ich an, und Ryan wartet schon am Straßenrand; mit finsterem Gesicht, wie ein gereizter Pitbull, geht er auf und ab. Ich bin noch kaum zum Stehen gekommen, da reißt er schon die Beifahrertür auf und springt ins Auto.
»Fahren wir«, sagt er mit angespannter Stimme.
Ich werfe einen vielsagenden Blick auf meine Armbanduhr. »Ich dachte, die Schule ist erst in fünf Minuten aus.«
»Für mich ist sie schon längst aus. Seit Sie angerufen haben. Und jetzt bringen Sie mich zu Trish.«
Sein Gesichtsausdruck ist so pampig und feindselig, dass mein eigenes Temperament beinahe mit mir durchgeht – bis ich mir vor Augen führe, dass dies der Junge ist, der Trish geholfen und sie beschützt hat, als sie sonst niemanden hatte. Dafür hat er zumindest Respekt verdient.
Benimm dich wie eine Erwachsene, ermahne ich mich. Sag etwas Bedeutungsvolles.
Ich drehe mich auf dem Sitz zu ihm herum. »Wollen wir irgendwo etwas essen?«
»Sind Sie verrückt? Ich will Trish sehen. Wenn Sie mich nicht zu ihr bringen, springe ich jetzt sofort aus dem Auto und schreie laut herum, dass Sie eine Perverse sind und versucht haben, mich sexuell zu belästigen. Ich kann sehr überzeugend schreien. Wollen Sie mal hören?«
Seine Worte sind explosiv und voller Wut. Doch unter der Wut flackert die Angst in ihm. Er hat schreckliche Angst um Trish. Und jetzt betrachtet er mich offenbar als den Feind – eine weitere Erwachsene, die sie nur benutzen will.
Ich hebe die Hand. »Ryan, hör mir zu. Trish geht es gut. Sie ist in Sicherheit. Es tut mir leid, aber ich kann dich nicht zu ihr bringen. Du hast sicher gehört, was ihrer Mutter passiert ist. Die Polizei sucht jetzt nach Trish. Die glauben, sie hätte etwas damit zu tun. Wir mussten sie an einen Ort bringen, wo sie niemand finden kann.«
»Wir?«
»Mr. Frey und ich.«
Ryans Miene ist düster und skeptisch. »Sie haben mir versprochen, dass ich mit ihr reden kann. Mr. Frey geht nicht mehr ans Telefon. Und wenn es Trish wirklich gutginge, würde sie mich anrufen. Sie lügen.«
Am Ende zittert seine Stimme ein bisschen, als kämpfe er mit den Tränen. Er hat sich von mir abgewandt, damit ich sein Gesicht nicht sehen kann, falls er den Kampf verliert.
Ich lege ihm eine Hand auf den Arm. Sein Körper versteift sich, aber er zuckt nicht zurück. Das fasse ich als gutes Zeichen auf. »Ich will dir sagen, warum ich dich sehen wollte. Ich habe einen Freund bei der Polizei. Er weiß, wo Trish ist, und er wird es niemandem mitteilen. Er hat mir gesagt, was wir tun müssen, um ihr zu helfen.«
Seine Augen werden schmal, er wirft mir einen kurzen Blick zu. »Wir?«
»Ja. Du und ich. Wir müssen herausfinden, wer Trish missbraucht hat. Ich bin sicher, dass diejenigen auch dafür verantwortlich sind, was Barbara und Trishs Mutter passiert ist. Wenn wir das schaffen, können wir damit zur Polizei gehen. Die werden uns glauben, wenn sie die Videos auf dem Computer sehen.«
Misstrauen flackert in seinem Blick auf. »Den Computer gebe ich nicht her. Das ist der
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