Lockruf des Blutes
»Offensichtlich hat mein Sohn es eilig, Detective Strong«, sagt Mr. North. »Aber ich möchte mich erst vergewissern, dass er sich nicht wieder in Gefahr begibt.«
Ich korrigiere ihn nicht, was »Detective Strong« angeht. Stattdessen spiele ich mit. »Polizeichef Williams hat sich persönlich des Falles angenommen«, sage ich. »Er wird sich gleich heute Vormittag mit uns zusammensetzen. Er ist sehr beeindruckt von Ryan. Ich kann Ihnen versichern, dass Ryan bei uns in Sicherheit ist.« Damit strecke ich seinen Eltern die Hand entgegen. Mrs. Strong ergreift sie zuerst.
»Finden Sie Trish, Detective Strong«, sagt sie. »Sie hat ein besseres Leben verdient, als sie es bisher hatte.«
Mr. North schüttelt mir ebenfalls die Hand und drückt dann seinen Sohn kurz an sich. »Geben Sie gut auf ihn acht, Detective Strong«, sagt er zu mir.
Ryan windet sich verlegen aus der Umarmung. Diese Zurschaustellung elterlicher Sorge ist ihm peinlich. Ich finde sie eher rührend, aber Ryan das zu sagen, würde ihn wohl nur noch verlegener machen.
Ich spüre den Blick seiner Eltern im Rücken, als wir durch den Vorgarten auf den wartenden Streifenwagen zugehen. So schlimm war es gar nicht; allerdings werfe ich Ryan mit hochgezogener Braue einen Blick zu. » Detective Strong?«
Seine Lippen verziehen sich zu einem grimmigen, schmalen Lächeln. »Als Sie gesagt haben, Sie würden mich mit einem Streifenwagen abholen, habe ich sie eben glauben lassen, Sie wären Polizistin. Das war irgendwie einfacher.«
Wenn Williams das zu Ohren kommt, werde ich mir einiges anhören müssen.
Ortiz fährt uns zum Mission Café und setzt uns davor ab. Sein Auftrag lautet, hier mit uns auf Williams zu warten, doch ich sehe keinen Grund, ihn so lange aufzuhalten. Williams wird in zehn Minuten hier sein, also bedanke ich mich bei Ortiz und erkläre, ich würde seinem Chef sagen, dass ich ihn weggeschickt habe.
Zuerst will er nicht. Aber ich erinnere ihn daran, dass ich ein Vampir bin und sehr gut auf mich selbst aufpassen kann, und dass er vermutlich Wichtigeres zu erledigen hat – etwa die Straßen sicherer zu machen für jene, die keine Vampire sind und sich nicht selbst schützen können.
Während wir diese lautlose Unterhaltung führen, steht Ryan vor dem Auto und wartet auf mich. Ortiz erklärt sich endlich einverstanden, und als ich aussteige, bemerke ich den Mantel und die Perücke, die ich zusammengeknüllt auf den Rücksitz geworfen hatte. Ich habe sie mitgenommen, damit Bradley und Donovan sie nicht in Williams’ Büro entdecken. Aber jetzt muss ich sie wirklich nicht mit mir herumschleppen.
»Würdest du die mitnehmen?«, bitte ich und deute auf das Bündel. »Hinterleg sie mir bei Sergeant Harvey, ich hole sie mir dann später ab.«
Er grüßt mit zwei Fingern an der Mütze und fährt los.
Ryan betrachtet das Café. »Was machen wir hier?«
Mit einer Hand am Ellbogen führe ich ihn hinein. »Chief Williams hielt es für das Beste, wenn wir uns an einem sicheren Ort treffen.«
Einer der Kellner bedeutet uns, irgendwo Platz zu nehmen. Ich lenke Ryan an die hintere Wand, und wir setzen uns an einen Tisch mit freier Sicht auf die Tür. »Möchtest du etwas essen?«, frage ich Ryan. »Hier gibt es tolle Arme Ritter.«
Er sieht mich an, als wäre ich schwer von Begriff. »Ich weiß«, sagt er. »Ich wohne praktisch nebenan, schon vergessen?«
»Entschuldige. Natürlich.«
Doch als der Kellner kommt, um unsere Bestellung aufzunehmen, will er nur Orangensaft, und ich ordere einen Kaffee. Der Kellner blickt ein wenig überrascht drein. Niemand kommt ins Mission Café, um nur Kaffee und Saft zu bestellen. Hier gibt es das beste Frühstück in der ganzen Stadt – dies ist eines der Restaurants, die ich am meisten vermisse. Und Luigi’s um die Ecke von meinem Strandhaus. Ach ja. Diese Zeiten sind vorbei.
Ich erkläre dem Kellner, dass wir noch jemanden erwarten, und seine unsichere Miene hellt sich auf, wenn auch nur vorübergehend. Williams wird ihn garantiert ebenfalls enttäuschen.
Ryan hat seine Schultasche keinen Augenblick losgelassen, seit wir aufgebrochen sind. »Leg sie doch auf den Stuhl neben dir«, schlage ich vor.
Aber er schüttelt den Kopf. »Nein. Da wäre sie nicht sicher.«
»Ryan, wir sind hier an einem öffentlichen Ort. Ich würde nicht zulassen, dass jemand sie stiehlt.«
»Sie sind ein Mädchen«, sagt er. »Wie wollen Sie einen Dieb davon abhalten?«
Ich will schon lächeln und eine halb scherzhafte
Weitere Kostenlose Bücher