Lockruf Des Mondes
Zimmer heute Nacht verlässt.«
»Wirst du mich wieder einschließen?«, fragte sie mit solch undeutlicher Stimme, als hätte sie zu viel Wein getrunken.
»Muss ich das?«
»Nein.«
»Dann versprich mir, dass du es unter gar keinen Umständen verlassen wirst.«
»Versprochen.« Damit wandte Emily sich ab, ging mit unsicheren Schritten in ihr Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Drinnen legte sie nur schnell ihr Kleid und ihre Tunika ab, bevor sie erschöpft unter die Decken schlüpfte. Im Licht des Vollmondes, das durch die Fenster oben an der Wand hereinfiel, war das Zimmer fast ebenso hell wie bei Tageslicht. Wechselten Werwölfe nicht bei Vollmond die Gestalt?
Emily war noch ganz benommen von der unglaublich sinnlichen Erfahrung, die Lachlan ihr hatte zuteilwerden lassen, aber immer wieder neue Fragen stürmten auf sie ein, bis sie wacher war, als sie es sein wollte.
Hatte er deshalb gesagt, er hätte sich nicht so gut unter Kontrolle, wie er müsste? Weil seine animalische Seite es ihm bei Vollmond schwerer machte, seine Triebe zu beherrschen? Wahrscheinlich schon. War ihr Werwolf vielleicht sogar in ebendiesem Moment schon in Wolfsform unterwegs - »auf der Jagd«, wie Cait es nannte? Und würde er zu dem See hinuntergehen?
In dem Fall wäre Talorc doch sicher klug genug gewesen, die Insel zu verlassen. Oder konnten Werwölfe unterscheiden, ob ein anderer Wolf ein Werwolf und nicht nur ein wildes Tier war? Sie, Emily, hatte jedenfalls keine Unterschiede zwischen Menschen und Werwölfen in ihrer menschlichen Gestalt ausmachen können.
Sie drehte sich auf die Seite, und ihr Körper prickelte und pulsierte immer noch von unvergessenen Wonnen. Was hatte Lachlan mit ihr gemacht? Er hatte ihren empfindsamsten Punkt berührt, und nun, da sie nicht mehr trunken war von der Lust, die er ihr bereitet hatte, beschämte sie die Erinnerung an ihre Reaktion. Sie war richtig laut gewesen, und obwohl er nicht aufgehört hatte, sie zu küssen, war ihr Stöhnen nicht zu überhören gewesen.
Besonders für die scharfen Ohren von Werwölfen, und irgendwie hatte sie das Gefühl gehabt, dass die Soldaten, die im großen Saal auf Lachlan gewartet hatten, genau das waren. Waren sie dort zusammengekommen, um mit Lachlan auf die Jagd zu gehen? Es gab so viele Dinge, die Emily wissen wollte, so viele Fragen, die sie Cait noch stellen musste. Aber egal, aus welchem Grund die Männer in dem großen Saal gewesen waren, sie waren da gewesen, und obwohl ihr das bewusst gewesen war, hatte sie Lachlan nicht von seinen intimen Zärtlichkeiten abgehalten - weil sie sie zu sehr gebraucht hatte.
Er dagegen hatte nicht das gleiche Glück bei ihr gefunden. Oder doch? Im Grunde konnte sie das gar nicht wissen, aber er war jedenfalls nicht so schwach geworden wie sie. Und die harte Wölbung unter seinem Plaid war noch immer da gewesen, als er sie die Treppe hinaufgetragen hatte.
Wieder und wieder ließ sie sich all diese Gedanken durch den Kopf gehen, bis sie schließlich so müde war, dass sie die Augen nicht mehr offen halten konnte. Als sie endlich in den Schlaf hinüberschlummerte, hörte sie das einsame Heulen eines Wolfes, und irgendwo tief in ihrem Innersten spürte sie, dass es Lachlan in Tiergestalt unter dem kalten Licht des Mondes war.
Von seiner Position in der Nähe des Sees konnte Lachlan den Burgturm sehen. Und in dem Turm war sie. Seine Gefährtin.
Er schüttelte seinen großen Wolfskopf. Der Mensch in ihm wollte nicht wahrhaben, dass sie das sein konnte, aber sein Wolf verlangte nach ihr. Er wollte zu ihr gehen und sie mit den Augen eines Wolfes und nicht nur mit denen eines Menschen sehen. Er wollte sie beschnuppern, sein Fell an ihr reiben und sie mit seinem Geruch markieren.
Noch nie in seinem Leben war seine Willenskraft auf eine härtere Probe gestellt worden als in dieser Nacht. Emily vor ihrer Zimmertür allein zu lassen, hatte seine ganze Kraft erfordert. Aber wäre er mit ihr in die Kammer gegangen, hätte er mit ihr geschlafen. Immer wieder. Sein Drang, sich zu verwandeln, wäre durch sexuelle Erfüllung ersetzt worden.
Doch er hatte sich diese Erfüllung nicht erlaubt.
Er und der Rest seines Rudels hatten heute Nacht gejagt, einen Teil der Beute gefressen und den Rest, Traditionen gemäß, die so alt waren wie Ehegelübde und andere menschliche Bindungen, mit anderen Wölfen geteilt. Aber das Rudel hatte sich längst zerstreut. Zwei der Wölfinnen hatten ihn dazu animieren wollen, mit ihnen zu laufen,
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