Lockruf Des Mondes
wie um sich vor ihren eigenen Gedanken zu verstecken.
Es beschämte ihn, dass sein Körper, obwohl sie doch so verstört und durcheinander war, fast schmerzhaft intensiv auf ihre Nähe reagierte. Er begehrte sie und konnte spüren, wie er immer heißer und härter wurde von dem Verlangen, sie zu nehmen.
Lachlan zwang sich, seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben, und wiederholte seine Bitte. »Erzähl es mir.«
Emily schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
»Weil es lange her ist.«
»Aber es sucht dich heim wie nächtliche Gespenster.«
Sie erschauderte. »Ja.«
»Erzähl es mir, und ich werde deine Gespenster zum Verschwinden bringen.«
Emily fragte sich, wie er sich da so sicher sein konnte. Hielt er das wirklich für so einfach? »Du bist ein Mann, kein Zauberer.«
»Ich bin der Laird«, erwiderte er schlicht.
»Jetzt tust du schon wieder so, als wäre das die Antwort auf alles«, versuchte sie zu scherzen, doch ihr Ton war ernster, als sie wollte.
»Das ist es.« Nichts Zweifelndes, nicht Unsicheres lag in seiner Stimme, nur absolutes Vertrauen in seine eigene Macht.
Hatte er recht? Könnte darüber zu sprechen die Wunde schließen, die schon so lange in ihr blutete? Sie hatte noch nie mit jemandem darüber geredet, nicht einmal mit Abigail, warum sie solch panische Angst vor Wasser hatte.
»Meine Mutter ist gestorben, als sie einen Jungen zur Welt brachte, der auch bei der Geburt schon starb.« Erinnerungen überfluteten Emily, und instinktiv schmiegte sie sich noch fester in Lachlans starke, warme Arme. »Bis dahin hatte mein Vater mich geliebt und mich immer seinen Schatz genannt. Er war lieb zu mir und lächelte sehr oft. Aber er liebte meine Mutter über alle Maßen und litt entsetzlich, als sie starb, und seine Zuneigung zu mir verwandelte sich in Hass. Er gab mir die Schuld daran, dass ich als Mädchen zur Welt gekommen war und Mama sterben musste, weil sie ihm noch einen Sohn und Erben schenken wollte. Er trank literweise Wein in den ersten Monaten nach ihrem Tod.«
Emily konnte sich noch gut an den Geruch des Alkohols in seinem Atem und seinen Kleidern erinnern. Sie war damals noch ein kleines Kind gewesen, das unter dem Tod der Mutter und der Zurückweisung durch den Vater sehr gelitten hatte.
»Eines Abends bin ich zu ihm gegangen, um ihn zu trösten ... Ich wollte, dass er mich wieder in den Arm nahm und mich seinen Schatz nannte, wie er es vor Mamas Tod getan hatte. Aber er wollte meinen Trost nicht und verabscheute meine Berührung. Er fing an, mich anzuschreien, und warf mir vor, nutzlos zu sein. Er sagte, wenn Tiere überflüssigen Nachwuchs bekämen, würden die Jungen ertränkt. Und ich sei so überflüssig und ohne Nutzen, dass man auch mich bei der Geburt hätte ertränken sollen.«
Emilys Kehle wurde eng, und sie musste ein paar Mal Atem holen, um fortfahren zu können.
»Dann sprang er auf und packte mich. Er trug mich wie einen Sack Mehl, sein großer Arm stieß gegen meinen Magen und tat mir furchtbar weh. Ich habe geweint und ihn angefleht, mich loszulassen, aber er hat sich aufgeführt, als hörte er mich nicht. Die ganze Zeit murmelte er etwas über ›einen nutzlosen Welpen ertränken‹ vor sich hin. Er brachte mich nach draußen, und es war schon dunkel, und keine Menschenseele war in der Nähe, als er mich zu dem kleinen Teich hinter der Burg trug. Das Wasser dort war tief und dunkel, Furcht erregend schwarz. Ich fing an zu schreien, doch niemand kam. Und mein Vater ... Er stieß ein gequältes Brüllen aus und warf mich in den Teich.«
Darüber zu reden, brachte das Gefühl des über ihrem Kopf zusammenschlagenden Wassers, der eisigen Kälte und ihrer panischen Angst zurück, als sie gemerkt hatte, dass sie keine Luft bekam. Sie hatte wild gestrampelt in dem Wasser, aber da sie nicht schwimmen konnte, war sie nur einmal wieder aufgetaucht. Sie war sicher gewesen zu sterben, doch dann war die Hand ihres Vaters plötzlich da gewesen, hatte sie gepackt und aus dem Wasser in die kalte Nachtluft hinausgezogen.
Sie hatte gehustet und gespuckt, sich erbrochen und so heftig geschluchzt, dass sie nicht mehr hatte atmen können.
Und da hatte er sie in die Arme genommen und ihr den Rücken gestreichelt. »Es tut mir leid, es tut mir so leid!«, hatte er immer wieder gesagt. Wie ein kleines Kind hatte er sie zur Burg zurückgetragen, sie ganz fest an seine Brust gedrückt und versucht, sie zu beruhigen. Aber sie hatte nur noch von ihm weggewollt.
Als sie die Burg
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