Lockruf Des Mondes
Jahren gab es in den Highlands ein Volk, das sich selbst als die Chrechten bezeichnete, während die Römer uns die Pikten nannten.«
»Uns?«
»Ich bin auch eine Chrechte, Emily.«
»Oh ... Ich erinnere mich, von den Pikten gehört zu haben. Sie trugen Tätowierungen, so wie die auf Lachlans Arm und Rücken«, sagte Emily, als ihr etwas dämmerte. »Hat Talorc auch solche Tätowierungen?«
»Ja, aber die um seinen Arm ist anders als die der Balmorals.«
»Hatten die Pikten nicht ihren eigenen König, bis MacAlpin die Clans aus den Highlands und Lowlands unter einem schottischen König vereinte?«
»Ja. Als er sich selbst zum König ernannte und zu einer List griff, um die restlichen Mitglieder der chrechtischen Königsfamilie zu ermorden, war unser Volk am Boden zerstört. Nach vielen Diskussionen und Querelen wurde bei einer Ratsversammlung schließlich der Beschluss gefasst, dass wir uns den keltischen Clans anschließen würden. Und obwohl das über ein Jahrhundert zurückliegt, haben die Chrechten nie MacAlpins Hinterlist vergessen.«
»Verstehe. Und deshalb unterwerfen sich die Chrechten dem heutigen schottischen König nicht uneingeschränkt, obwohl er nichts mit dem damaligen Verrat zu tun hatte.«
»Kein Highlander würde sich voll und ganz einer anderen Regel beugen als der des Clan-Oberhauptes. Außerdem ist der derzeitige König sowieso mehr englischer als schottischer Natur. Er wird Schottland in einen normannischen Außenposten verwandeln, wenn das Volk es zulässt.«
Emily nahm keinen Anstoß an Caits Gefühlen, weil sie sie verstehen konnte. Schottland war nicht England und sollte daher auch keinen König haben, der so sehr bemüht war, die englische Lebensweise nachzuahmen. Auch in England gab es viele Bürger, die ähnlich erbost darüber waren, dass der englische Königshof sich so an die in Frankreich geltenden Traditionen hielt.
»Ich glaube, jetzt verstehe ich das Verhalten deines Bruders besser. Ich kann mir vorstellen, dass er zutiefst gekränkt war, als ihm ein König, dem er nur widerstrebend dient, eine Ehefrau aufzwingen wollte.«
»›Gekränkt‹ ist noch ein viel zu mildes Wort dafür, wie der ganze Clan sich fühlte.«
»Mit Ausnahme von dir.«
Cait lachte ein bisschen. »Oh, ich war natürlich auch beleidigt ... bis ich dir begegnete. Du warst mir auf den ersten Blick sympathisch, Emily.«
Emily blinzelte, um die Tränen hinter ihren Lidern zu verdrängen. Es war lächerlich, so rührselig zu werden. »Das freut mich. Ich mochte dich auch gleich.«
Cait drückte ihre Hand. »Selbst wenn du meinen Bruder nicht heiratest, wirst du für mich immer meine Schwester sein.«
Emily wischte schnell die eine Träne ab, die über ihre Wange rollte, als sie die liebevolle Geste erwiderte. »Danke, Cait, das Gleiche gilt für mich.«
»Emily ...«
»Ja?«
»Ich war aus einem bestimmten Grund besorgt um dich.«
»Weil Lachlan mich in einen Turm gesperrt hatte? Ich weiß es zu schätzen, dass du dir Sorgen um mich machst, aber das brauchst du nicht, Cait. Mir geht es gut, wie du sehen kannst, und die Tür ist nicht mal mehr verriegelt.«
»Ja, doch ehrlich gesagt war das nicht alles, was mir Sorgen bereitete.« Cait unterbrach sich, als suchte sie nach Worten. »Moira hat mir erzählt, dass Lachlan heute Morgen mit dir schwimmen war.«
Emily lächelte bei der Erinnerung an ihren Triumph über sich selbst. »Ja. Es war wunderbar, Cait. Er bringt mir das Schwimmen bei, damit ich keine Angst mehr vor dem Wasser haben muss.«
»Er bringt dir das Schwimmen bei?«, wiederholte Cait, als wäre das geradezu unglaublich. »Damit du keine Angst mehr haben musst?«
»O ja. Und er ist ein sehr geduldiger Lehrer. Was kaum zu glauben ist, so wie er sich die meiste Zeit verhält, aber er hat mich nicht ein einziges Mal angeschrien.«
»Ich verstehe ... glaube ich.« Cait runzelte die Stirn und seufzte. »Oder vielmehr verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
»Wie meinst du das?«
»Seine Geduld und seine Bereitschaft, dir das Schwimmen beizubringen ... Das passt so gar nicht zu dem, was ich bisher von ihm dachte.«
»Und was dachtest du?«, fragte Emily, die nicht überrascht war, dass diese Seite Lachlans Cait verwirrte.
Sie verunsicherte es ja auch, dass dieser Mann die Entführung von zwei unschuldigen Frauen anordnen konnte, um seinen Stolz zu besänftigen, und sich dann so liebevoll bemühte, seiner Gefangenen eine lebenslange Angst zu nehmen. Sie hatte einmal etwas über ein Tier
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