Lockruf Des Mondes
schön.«
»Erinnerst du dich, dass ich gestern im Wald Dinge gehört habe, die du nicht wahrnehmen konntest, und dass Lachlan seinen Bruder heute Morgen kommen hörte, während du ihn erst bemerkt hast, als er schon zu sehen war?«
»Ja.«
»Das ist eine der Besonderheiten des Werwolfs.«
»Was? Ein überlegenes Gehör?« Nein, das konnte nicht sein ... Aber in beiden Fällen hatten die anderen Geräusche wahrgenommen, die Emily entgangen waren, und sie wusste, dass sie ein sehr gutes Gehör besaß.
Oder versuchte sie vielleicht nur, das Unglaubliche zu glauben, weil die Alternative, dass ihre Freundin den Verstand verloren hatte, zu unerträglich war, um sie zu akzeptieren?
»Und das ist noch nicht alles«, fuhr Cait fort. »Wir sind auch stärker und schneller als rein menschliche Wesen.«
Ganz unversehens sprang Cait auf, Emily sah eine blitzschnelle, verschwommene Bewegung, und dann stand ihre Freundin auf der anderen Seite des Raumes.
»Siehst du?«, sagte Cait.
Emily schüttelte den Kopf. Das konnte nicht wahr sein - aber hatte ihr nicht auch Lachlan diesen Streich gespielt? Und nach seinem eigenen und Caits Bekunden war er ein Chrechte. Es war zu viel für ihr Auffassungsvermögen. Vielleicht war sie diejenige, die den Verstand verlor.
Cait wiederholte ihren Trick und stand vor dem Eingang zu dem Abtritt, ohne dass Emily mitbekommen hatte, wie sie dorthin gekommen war. Sie hatte nur ein kurzes Aufblitzen von Farben gesehen und rieb sich jetzt verwirrt die Augen.
Cait lachte, doch es klang kein wirklicher Humor in dem Geräusch. »Du bildest dir nichts ein. Wir bewegen uns wirklich so schnell. Ich sollte das im Moment eigentlich lassen. Es verärgert Drustan, weil er denkt, ich könnte das Kind verletzen, falls ich falle.«
»Könntest du?«, fragte Emily überflüssigerweise, weil ihr Verstand nicht anerkennen wollte, was ihre Augen gesehen hatten.
»Na ja, wahrscheinlich schon, wenn ich hinfiele - aber ich habe es nicht vor.« Cait kam zu Emily zurück, setzte sich wieder und nahm ihren Arm in einen fast schmerzhaft harten Griff. »Du musst mir glauben. Dieser Wolf, den wir gesehen haben, war Talorc. Hast du nicht bemerkt, wie er den Kopf geschüttelt hat, als ich ihm sagte, Lachlan wolle eine Entschuldigung? Das gefiel ihm nicht. Aber er hat auch alles gehört, was wir beide miteinander geredet haben. Er hat mitbekommen, dass Lachlan morgen früh wieder mit dir schwimmen gehen will. Allein. Deshalb darfst du nicht zum See gehen, Emily. Talorc wird Lachlan herausfordern, und einer der beiden wird den Kampf nicht überleben.«
»Wie kann Talorc auf der Insel sein, ohne dass Lachlan davon weiß?«
»Er ist in Wolfsgestalt herübergeschwommen, und er versteht es sehr gut, seinen Geruch zu überdecken. Er ist viel besser darin, als ich je gedacht hätte, und viel, viel besser, als ich selbst es bin.«
»Das ist unmöglich«, murmelte Emily wieder, obwohl ein Teil von ihr anfing zu glauben. So unwahrscheinlich dies auch alles schien, hatte sie doch sehr viele unerklärliche Dinge gesehen und gehört, seit sie in den Highlands war, und diese seltsamen Behauptungen, die Cait aufstellte, würden einiges davon erklären.
»Ich weiß, dass es dir so erscheinen muss, aber es ist alles wahr, was ich dir sage, Emily. Chrechten gibt es schon so lange wie jede andere menschliche Rasse, doch wir haben uns immer im Verborgenen gehalten.«
»Warum? Und wie konnte MacAlpin die Pikten ... Chrechten, wollte ich sagen, überwältigen, wenn sie stärker als normale Menschen sind?«
»Kraft ist nicht alles, Emily. MacAlpin war ein Chrechte, aber kein Gestaltwandler. Das kommt vor, wenn ein Mensch sich mit einem Gestaltwandler zusammentut. Seine Mutter war eine Werwölfin, sein Vater jedoch ein Schotte. MacAlpin besaß die tierische List, aber nicht all die anderen Eigenschaften der Chrechten. Er hatte auch Werwölfe auf seiner Seite, oder zumindest jene, die bereit waren, ihre Leute der Macht wegen zu verraten, die MacAlpin damals darstellte. Jahrhundertelang war Krieg das einzige Leben, das wir kannten, doch es forderte seinen Tribut in unseren Reihen. MacAlpins Verrat verringerte noch mehr die Anzahl der verbliebenen Chrechten, und als wir uns den keltischen Clans anschlossen, geschah das zum Schutz der Zukunft unseres Volkes. Es war unsere einzige Hoffnung.«
»Aber du sagst, nicht alle Clans hätten Werwölfe unter sich?«
»Nein. Nicht einmal annähernd alle. Unsere Anzahl ist gestiegen, doch weniger als
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