Lockruf des Verlangens (German Edition)
er verstanden hatte, dass sein dominanter, beschützender Vater nie gewollt hätte, dass andere an seiner Stelle litten. »Zwei Jahre lang hatte es immer wieder Probleme im Rudel gegeben. Rudelgefährten hatten tödliche Kämpfe ausgefochten, Männer waren gewalttätig gegenüber ihren Frauen geworden.« Bis heute trieben diese Ereignisse seinen Wolf um. »Aber das ist nicht unsere Art, so waren wir vorher nie.«
»Nein.« Sienna hob den Kopf, in ihrem Gesicht stand so viel Mitgefühl, dass es kaum möglich schien, dass sie je in Silentium gewesen war. »Das lag an den Experimenten, nicht wahr?«
Er schloss sie fester in die Arme. »Sie wollten herausfinden, ob sie die Bande, die ein Gestaltwandlerrudel zusammenhalten, durch bestimmte ›Schlüsselfaktoren‹ zerstören konnten, um das Rudel von innen her zu vernichten.« Die Dreckskerle hatten Jugendliche und Erwachsene gebrochen, viele gute Männer und Frauen auf diese Weise vergiftet.
»Eine kleine Randgruppe von Wissenschaftlern hatte sich das ausgedacht.« Die SnowDancer-Wölfe waren nur davongekommen, weil es den Überlebenden gelungen war, den Kopf des Bösen abzuschlagen, bevor die Daten an höhere Stellen weitergegeben worden waren. »Sie gehörten nicht zum Rat, fühlten sich aber berechtigt, uns wie Laborratten zu behandeln, da der Rat deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass er uns für wilde Tiere hielt.«
Sienna schloss ihn fest in die Arme.
Er stellte die Beine etwas weiter auseinander und zog sie noch näher an sich. »Mein Vater hat bei seinem Abtreten diesen Typen ein ›Verdammte Arschlöcher‹ ins Gesicht geschleudert.« Ein grimmiges Lächeln. »Während des Kampfes hatte ein anderer versucht, Garrick zu erschießen, doch mein Vater hat die Kugel abgefangen.« Aber es war schon zu spät gewesen, der Leitwolf war so schwer verletzt, dass ihr ohnehin geschwächter Heiler ihn nicht hatte retten können.
Sienna schüttelte den Kopf. »Er muss außerordentlich stark gewesen sein, um sich gegen sie zur Wehr setzen zu können.«
»Das war er auch.« Die Art, wie sein Vater in einem letzten Aufbäumen seine Ehre zurückerobert hatte, hatte Hawke gelehrt, niemals aufzugeben.
»Ich bin so stolz auf dich«, waren Tristans letzte Worte an seinen Sohn, als Hawke neben ihm im blutgetränkten Schnee kniete und verzweifelt seine Hand hielt.
Das Blut sprudelte aus der Wunde auf Tristans Brust; als seine Gefährtin ihn zärtlich küsste, flüsterte er: »Wir sehen uns im nächsten Leben wieder, mein Herz.«
»Meine Mutter Aren konnte einfach nicht mehr leben, nachdem er gestorben war. Sie hat es wirklich versucht, aber eines Tages legte sie sich schlafen und wachte nicht mehr auf.« Für ihn würde die Freude, die er in den Armen seiner Eltern empfunden hatte immer mit Schmerz und Verlust verbunden sein.
Die Mediale Sienna, die ebenfalls ihre Mutter verloren hatte, stellte sich auf die Zehenspitzen und legte tröstend die Arme um ihn, ihre tränennassen Wangen trafen seine, als er sich zu ihr hinunterbeugte. Hawke hatte den Verlust seiner Eltern nie beweint. Nicht als Junge. Auch nicht als Mann. Nun barg er sein Gesicht in einem rubinroten, seidigen Wasserfall, und der Wolf in ihm hob den Kopf zu einem stillen Trauergeheul.
Walker schloss die Tür zum Lagerraum der Krankenstation hinter sich und sah sich um. Lucys Worten zufolge musste Lara hier irgendwo sein.
»Walker?« Zerzauste Korkenzieherlocken lugten hinter einem Regal hervor. »Rieche ich da Kaffee?«
Der begehrliche Ton hätte ihm fast ein Lächeln abgerungen, obwohl Lächeln für ihn weiterhin nichts Natürliches war. Er kniete sich neben sie. »Was tust du da?«
»Inventur«, sagte sie stöhnend und lehnte den Kopf an seine Brust. »Ich will mich noch einmal vergewissern, dass alles Notwendige vorhanden ist, da wir jetzt eine kurze Atempause haben.«
Er reichte ihr den Kaffee und sah ihr beim Trinken zu. Wie immer löste es unerklärliche Gefühle in ihr aus, dass er so für sie sorgte. »Genug?«
Sie nickte. »Vielen Dank.«
Er streckte den Arm aus und stellte den Becher auf ein Bord über ihr und musste gegen das Verlangen ankämpfen, mit den Händen in die seidigen Locken zu fahren und ihren Kopf an sich zu ziehen.
Lara war Gestaltwandlerin und brauchte Berührung, den sinnlichen Kontakt. Der Zwischenfall mit Kieran hatte ihn erkennen lassen, dass er nicht wollte, dass ein anderer Mann auf diesem Gebiet für sie sorgte.
»Was ist denn, Walker?« Lara hob fragend eine
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