Lockruf des Verlangens (German Edition)
Zähnen nach ihrer Kehle. Lachend tat sie es ihm gleich. Dann zog sie ihn an sich und tat das, was sie gefordert hatte.
Ihr Wolf ließ sie spielen und spielte mit ihr. Erst als sie auf dem Flickenteppich vor dem Kamin lagen – Hawke in nur nachlässig zugeknöpften Jeans und sie in seinem Hemd – und am Essen knabberten, holte Sienna den kleinen Schlüssel heraus, den sie um den Hals trug. »Was lässt sich hiermit öffnen?«
Er stand auf, ging nach draußen zum Wagen und kam mit einer kleinen Metallschatulle zurück, die er neben sie stellte. Dann legte er sich wieder zu ihr. Der Wolf würde ihr sicher keinen Tipp geben; sie steckte den Schlüssel ins Schloss und hob den Deckel. Die Schatulle war mit blauem Samt ausgeschlagen und vollkommen leer.
Eigenartigerweise begriff sie sofort. »Für unsere Erinnerungen, für das, was wir noch gemeinsam erleben.« Ihre Kehle wurde eng, und obwohl sie wusste, dass ihr seine Antwort das Herz brechen konnte, musste sie jetzt die Frage stellen, die sie schon eine ganze Weile vor sich hergeschoben hatte. »Wodurch sind wir Gefährten geworden?« Hatten ihn die Ereignisse auf dem Schlachtfeld dazu gedrängt? Bereute er es nun? Sie konnte ihre Befürchtungen nicht laut äußern, aber in ihrem Herzen waren sie sehr lebendig.
Hawke sah Sienna an; er wusste, dass er es in der Hand hatte, das Machtgleichgewicht zwischen ihnen zu verändern, seine nächsten Worte würden ihr weiteres Zusammenleben grundlegend beeinflussen. Er konnte ihre Frage beantworten, ohne etwas von sich preiszugeben, ohne dass sich zwischen ihnen etwas änderte. Oder er konnte sich entscheiden, sie über Liebhaber und Gefährten hinauszuheben und zu einem wahren Alphapaar zu machen.
»Du hattest recht«, sagte er und sah, wie ein Sturm der Gefühle in den außergewöhnlichen, Kardinalenaugen losbrach.
Es wäre einfacher gewesen, zu lächeln und die Erklärung ohne weitere Worte hinzunehmen, aber das hätte Siennas Wesen nicht entsprochen. »Womit?«, fragte sie und sah ihn wachsam an.
Seinen Wolf überraschte das nicht. Sienna trug auch Narben, die erst mit der Zeit verblassen würden. Das störte ihn nicht – denn er hatte sich auf eine Ewigkeit eingerichtet, würde gegen alle Albträume kämpfen, die es wagten, ihr das Leben schwer zu machen. »Mit deiner Ansicht über das Paarungsband.« Er setzte sich auf und zog ein Knie an. »Nicht der Wolf hat mich zurückgehalten. Als Rissa starb, war es, als würde ein Teil von mir herausgerissen«, sagte er und zeigte damit Sienna den letzten Winkel seines Herzens. »Einen Monat lang habe ich nicht gesprochen, habe Tag und Nacht nur an ihrem Grab gesessen.« Junge und Wolf hatten gehofft, dass sie es sich nur stark genug wünschen mussten, damit Rissa wieder zu ihnen zurückkehrte. »Ich habe lange gebraucht, um zu akzeptieren, dass sie fort war, dass mir nur das Loch in meinem Herzen blieb, das sie hinterlassen hatte.«
Sienna rutschte näher zu ihm hin, bis sie die Wade des aufgestellten Beins berühren konnte. Ihre Augen waren tintenschwarz, doch sie unterbrach ihn nicht. Diese Frau verstand ihn manchmal besser als er sich selbst, hatte ihn gezwungen, sich der kalten, harten Wahrheit zu stellen, dass er sich jahrelang selbst belogen hatte. Das machte es allerdings nicht leichter, sich die Wunden zu lecken – Teufel noch mal, er war ja nicht ohne Grund Leitwolf. Verletzlichkeit war nicht das Gefühl, das er am liebsten hatte.
Deshalb kamen die nächsten Worte rau, beinahe barsch heraus. »Es war leichter, daran zu glauben, dass meine Gelegenheit, eine Gefährtin zu finden, mit Rissa ein für alle Mal gestorben war, als mich wieder einem solchen Schmerz auszusetzen.« Er strich ihr übers Haar und schüttelte den Kopf. »Aber als du auftauchtest, hatte ich keine Chance mehr, mich zu verstecken. Du bist bei jedem Atemzug und jedem Gedanken bei mir, bist mit mir so eng verbunden, dass selbst das Wort Liebe noch zu schwach ist – ich verehre dich, dein Name ist in meine Seele gebrannt, mein Wolf folgt deinem Befehl. Hundert Jahre? Das wird nicht genug sein. Ich will die Ewigkeit.«
Langsam rannen Tränen über Siennas Wangen.
Aber er war noch nicht fertig. »Du könntest mich in Stücke reißen, mich so tief und schwer verletzen, dass ich mich nie mehr davon erholen würde. Das, was Rissas Tod dem Jungen angetan hat, könntest du tausendmal schlimmer dem Mann antun. Ein Teil von mir hat diese Möglichkeit erkannt, sobald du in mein Leben getreten warst –
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