Lockruf des Verlangens (German Edition)
geistigen Leine als seine private Bestie.
»Schluss jetzt«, befahl sie der braunäugigen Frau im Spiegel. »Heute Nacht sollst du jung und sorgenfrei sein. Tanze, trinke und amüsier dich.« Sie trug mohnroten Lippenstift auf, nahm eine kleine Tasche und trat auf den Flur.
»Lieber Gott, ich danke dir.«
Überrascht sah sie auf. Vor ihr stand Riordan, Rekrut wie sie und nur ein Jahr älter. »Kommst du mit?«, fragte sie ihn und schloss die Tür.
»Würde ich spätestens jetzt.« Er hielt ihr den Arm hin, nackteHaut unter einem kurzärmligen grauen T-Shirt, das dem muskulösen Kerl gut stand. »Bleib nah bei mir. Draußen ist es kalt.«
Sie schüttelte den Kopf und ging mit klappernden Absätzen den Flur hinunter. Nach ein paar Schritten fiel ihr auf, dass er hinter ihr herschlich. »Was soll das?« Sie drehte sich um. »Starrst du etwa auf meinen Hintern?«
Riordan spielte nicht den Unschuldigen, in den dunkelbraunen Augen spiegelte sich Anerkennung. »Ist ein wirklich hübscher Hintern. Und dann diese Jeans, Mamma mia.«
Diese Art Aufmunterung hatte sie gebraucht. Wenn Hawke sich weigerte, die Anziehung zwischen ihnen wahrzunehmen – obwohl sie jahrelang gewartet hatte, bis sie endlich alt genug war, und in der Zwischenzeit die Ohren verschlossen hatte gegen sämtliche Gerüchte, mit wem er wann zusammen war –, würde sie das nicht länger tatenlos hinnehmen. »Hör auf und komm endlich. Evie, Tai und Cadence sind bestimmt schon in der Garage.«
Sie hatte recht. Und es waren nicht die Einzigen. Auch Maria war mit ihrem Freund Lake da.
»He«, sagte die Soldatin und lächelte zögernd. »Ich wollte mich entschuldigen. Echt blöd, dass du schlimmer bestraft worden bist.«
Sienna zuckte die Achseln. »Meine Schuld.« Sie würde nicht mehr zulassen, dass ihre fast schmerzhafte Reaktion auf Hawke ihr im Weg stand. »Ich trag dir nichts nach.«
»Könnten wir … « Maria wies mit dem Kinn nach links.
Sienna nickte und trat ein wenig zur Seite, damit sie sich ungestört unterhalten konnten. »Deine Wölfin wollte ihre Dominanz beweisen«, sagte sie, sobald sie außer Hörweite waren. »Das habe ich begriffen.«
»Tja, hat nicht so geklappt.« Ein selbstironisches Lächeln. »Was ich dir an den Kopf geworfen habe, von wegen kaltblütig – «
»Schon gut.« Genervt und auf sich selbst sauer, weil sie immerfort an Hawke denken musste, war sie leichter verletzlich gewesen und war bei Marias Sticheleien ausgerastet, ohne einen Moment zu überlegen, dass ihre augenblickliche Gefühlslage ja gerade bewies, dass die Anschuldigungen Humbug waren.
»Nein.« Maria legte ihr die Hand auf den Arm. »Du weißt genauso gut wie ich, dass das nicht stimmt. Ich hab jede Menge Mist zusammengeredet, um dich dazu zu bringen, mit mir zu kämpfen. Als einzige Entschuldigung fällt mir nur ein, dass Wölfe in meinem Alter oft richtige Eierköppe sind.«
Siennas Lippen zuckten. »Du wohl kaum, die entscheidenden Teile fehlen in deiner Anatomie.«
Maria schnaubte. »Wie auch immer – ich war ziemlich blöd und hab die Oberschlaue gespielt.« Sie steckte die Hände in die Gesäßtaschen und wippte auf den Absätzen nach hinten. »Ich sollte mit dir zusammenarbeiten und hab dich nur provoziert.« Die dunklen Augen sahen sie ernst an. »Wird nicht wieder vorkommen. Kannst dich drauf verlassen, dass ich dir immer den Rücken freihalte.«
»Gilt umgekehrt auch«, sagte Sienna prompt. Im Medialnet hätte sie sofort nach dem Pferdefuß Ausschau gehalten, aber sie war inzwischen lange genug bei den Wölfen, um Marias Worte als das zu sehen, was sie waren: das Angebot einer loyalen Freundschaft. »Und es lag nicht nur an dir. Ich war auch auf einen Kampf aus.« Maria hatte ihr nur die passende Entschuldigung geliefert.
»Du hast echt einen heftigen Schlag«, sagte diese, als sie jetzt zu den anderen gingen.
»Judd hat mit mir trainiert.«
»Ich weiß nicht, ob ich neidisch werden oder eher Mitleid haben soll.«
Sie lachten beide.
»Nachdem das jetzt geklärt ist«, sagte Evie und legte mit einem Lächeln ihre Arme um die ehemaligen Kontrahentinnen, »sind wir wohl zum Tanz bereit.«
Sienna war nicht nur bereit zum Tanz. Wenn heute ein Mann auf sie zukäme … würde sie ihn vielleicht nicht abweisen. Sie hatte genug von der ewigen Warterei.
Walker bewachte den Schlaf der Kinder und erwischte sich dabei, dass er immer wieder auf das Satellitentelefon blickte, das ihm seine Position als »Oberbändiger« der Zehn- bis
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