Lockruf des Verlangens (German Edition)
professionelles Interesse. »Ist jemand verletzt?«
Er nahm an der Tür dieselbe Haltung ein und machte eine unerwartete Entdeckung: Er hatte sich an die Art gewöhnt, mit der sie ihn vor jenem Tag am Abhang angesehen hatte. Dieses Undefinierbare nicht mehr in ihren Augen zu finden, löste ein eigenartig stechendes Gefühl in seiner Brust aus. »Wie war deine Verabredung?«, fragte er, ohne genau zu wissen, warum er diese Frage stellte.
Laras Lächeln erreichte nur ihre Lippen. »Kieran weiß, was er tun muss, damit sich eine Frau bei ihm wohlfühlt.«
Eisige Kälte erfüllte Walker, floss durch seine Adern. Er war für die Arbeit mit Kindern ausgebildet worden, aber seine telepathischen Kräfte erreichten sieben Komma acht auf der Skala. Er konnte töten, ohne eine Spur zu hinterlassen. »Er ist jünger als du.« Zu schwach und grün hinter den Ohren, um zu verbürgen, dass Lara kein Leid geschah, wo immer ihre Berufung sie hinführte.
Lara zuckte die Achseln, ihre Brüste bewegten sich unter dem rostbraunen Pullover mit V-Ausschnitt, der sie wie eine zweite Haut umgab. »Nicht viel.«
»Das habe ich nicht gemeint.«
Sie wandte sich um und machte Kaffee mit denselben sicheren Handgriffen, die ihm schon so oft bei ihrer Arbeit in der Höhle aufgefallen waren. »Zugegeben, er ist ein wenig unreif, aber sind das nicht die meisten Männer vor dreißig?«
Walker wusste genau, dass sie ihm absichtlich den Rücken zukehrte, eine schweigende, aber dennoch deutliche Zurückweisung. Doch Walker folgte nur Befehlen, die sich auf die Sicherheit seiner Familie bezogen. »Er hat keine Ahnung, wer du bist.« Mit dreißig war Lara sehr, sehr jung für ihre Stellung als Heilerin in der Höhle.
Im Gegensatz zu anderen Rudeln verfügten die SnowDancer-Wölfe über mehrere Heiler auf ihrem weitläufigen Territorium. Alle waren durch den Blutbund mit einem der Offiziere verbunden, damit der einzigartige Energieaustausch unter ihnen gewährleistet war. Obwohl einige der Heiler Lara Jahrzehnte voraushatten, genoss die mit Hawke verbundene Heilerin uneingeschränktes Vertrauen und Respekt. Ihre Qualitäten als Heilerin waren einzigartig, und dazu besaß sie noch den Mut, selbst den dominantesten Rudelgefährten unbeirrt entgegenzutreten. Diese Frau verdiente es, einen starken Mann an ihrer Seite zu haben, nicht einen unreifen Jungspund.
»Also wirklich, Walker«, sagte Lara, die sich mit einem Kaffeebecher in der Hand wieder umgedreht hatte, ein paar schwarze Locken hatten sich aus dem Haarknoten gelöst und küssten sanft ihre Wangen. »Du denkst doch nicht im Ernst, ich würde Kieran als Gefährten wollen.« Sie blies in die dampfende Tasse, trat einen Schritt vor und lächelte so dünn, dass es wie ein Skalpell durch seine Haut drang. »Ich muss nach einem Patienten sehen.«
Er hatte das Gefühl, dass sie log, aber da er nicht sicher war, ließ er sie durch, ihr warmer Duft strich an ihm vorbei. Sie war schon ein ganzes Stück entfernt, als sie sich noch einmal umdrehte und ihn mit ihrem Fuchsblick traf. »Manchmal«, sagte sie, »geht es einfach nur um Sex.«
Sienna hatte den Nachmittag frei, aber nachdem sie das Pensum im Physikkurs für Fortgeschrittene des Online-Studiengangs einer großen Universität erledigt hatte, beschloss sie, zur Weißen Zone zu gehen und bei den außerschulischen Aktivitäten mitzuhelfen. Auf dem Weg dorthin versuchte sie, sich weiterhin auf die wissenschaftlichen Fakten zu konzentrieren, doch es erwies sich als unmöglich, nicht an die heftigen Gefühle und die Schönheit der letzten Nacht zu denken.
Die moosbedeckte Grotte, zu der Hawke sie nach dem Ausbruch der kalten Flammen geführt hatte, war voller nachtblühender Wildblumen gewesen, der kleine Teich in der Mitte hatte so still wie ein Spiegel dagelegen. Völlig verzaubert hatte sie die Blüten mit den Fingerspitzen berührt, und ihr war schmerzhaft bewusst geworden, dass er ihr etwas schenkte, ihr einen Teil von sich zeigte, den noch nie jemand anderes zu Gesicht bekommen hatte.
Sie war sich so hilflos vorgekommen. Denn ganz egal, wie sehr er sich von ihr angezogen fühlte, wie stark die gegenseitige Anziehung zwischen ihnen war, gegen seinen eisernen Willen würde sie niemals ankommen. Dieser Wille würde sie heute Nacht in Stücke reißen, wenn er eine andere Frau streichelte. Eine andere küsste. Sie mochte gar nicht weiterdenken.
»Sinna!« Schlitternd kam Ben vor ihren Füßen zum Stehen, kaum dass sie die Weiße Zone betreten
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