Lockruf des Verlangens (German Edition)
vorgekommen, ihre Persönlichkeit ließ jemand Größeren und Stärkeren vermuten – er hätte wetten können, dass beinahe jeder in der Höhle sie als muskulöser und um einiges größer beschrieben hätte.
»Vielleicht bist du ja nur viel zu groß.« Methodisch krempelte sie erst einen, dann den anderen Ärmel hoch.
Grinsend, weil sie ihn so freundlich beleidigt hatte, fuhr er schweigend weiter und hielt in einiger Entfernung von der Höhle. Der restliche Weg würde sicher nicht Siennas Kräfte übersteigen. »Sollen wir?«
Sie hatte schon die Tür geöffnet. »Diese Gegend kenne ich noch gar nicht.«
Das erstaunte ihn nicht. Ihr Territorium war weitläufig und die Wildnis in manchen Teilen so unzugänglich, dass kein Fahrzeug hineinkam – im Gegensatz zu den Wölfen konnte Sienna ein solch großes Gebiet nicht zu Fuß erkunden. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
Sie stolperte über einen umgefallenen Baumstamm, und er musste schwer an sich halten, um ihr nicht aufzuhelfen und die Hand langsam über ihren Körper gleiten zu lassen, während er sie wieder auf die Beine stellte. Sie bewegte sich geschickt und geschmeidig – Indigo hatte gute Arbeit geleistet, doch den letzten Ausschlag hatte Siennas Willenskraft gegeben, nur dadurch war sie so gut geworden, wie sie jetzt war. Hawke kannte die kämpferischen Fähigkeiten jedes einzelnen seiner Soldaten – selbst ohne ihre mentalen Fähigkeiten war Sienna für eine Nicht-Gestaltwandlerin außergewöhnlich gut.
»Noch ein wenig weiter«, sagte er, als sie eine Gruppe von Koniferen erreicht hatten, die mit wildem Wein bewachsen waren.
Sienna hob einen kleinen Kienapfel auf und strich mit dem Daumen über die rauen Kanten. »Hast du morgen Abend schon was vor?«
Er roch die Nervosität, die Entschlossenheit hinter der Frage. Sein Magen zog sich zusammen. »Sienna.« Er wollte sie bestimmt nicht verletzen, aber er würde ihr auch keine falschen Hoffnungen machen. »Ich habe bereits etwas vor.«
Kardinalenaugen funkelten ihn an. »Mit Rosalie?« Die Luft klirrte bei diesem Wort.
Sein Wolf zeigte die Zähne. »Sie ist eine erwachsene Wölfin, mit der ich befreundet bin.«
»Im Gegensatz zu einem unreifen Mädchen, das du nicht ausstehen kannst.« Eine Herausforderung – der Fehdehandschuh war hingeworfen.
Er nahm ihn auf. »Sie kann mir das geben, was ich brauche.« Rosalie war Wölfin genug, um zu geben und zu nehmen, was sein Wolf so dringend brauchte, ohne eine tiefe Bindung zu erwarten, zu der er nicht fähig war … und sosehr er sie auch schätzte, sie würde nicht in Versuchung kommen, einen Besitzanspruch anzumelden, der sie letzten Endes nur vernichten konnte.
Der harte Kienapfel drückte sich tief in Siennas Hand, aber sie spürte es kaum, so heftig war der Schlag, den Hawke ihr gerade versetzt hatte. Warum hatte sie bloß gefragt, obwohl sie die Antwort schon gewusst hatte? Eine richtige Mediale hätte das nie getan. Aber wenn es um ihn ging, hatte sie sich so wenig unter Kontrolle wie ein Kind – so nannte er sie ja auch immer. »Reicht das denn?«, fragte sie in ohnmächtiger Wut. »Reicht der rein körperliche Akt?«
»Versuche nicht, es nur darauf zu reduzieren.« Kalt und unbewegt. »Du bist lange genug bei uns, um zu wissen, dass wir einander nicht ausnutzen.«
Nein, das taten sie nicht. Darum war es ja auch noch schwerer zu ertragen. Für Wölfe war Sexualität eine lustvolle Begegnung, die sie sehr schätzten. Rosalie würde sich mit der liebevollen Zuneigung einer Rudelgefährtin hingeben und es genießen, einen Partner zu haben, der ihre Bedürfnisse gut erfüllen konnte – Sienna war zwar unerfahren, doch ihr war klar, dass Hawke eine Frau nie unbefriedigt lassen würde. Er war zu dominant, um sich mit weniger als vollkommener Hingabe zufriedenzugeben.
Undwennsiedannauseinandergingen,obnunbereitsnacheinerNachtodererstnacheinemMonat,würdeesmiteinemLachenundinallerFreundschaftgeschehen.SiehattedasschonbeianderenRudelgefährtenerlebt,einigeihrerFreundehattenliebevolleundsinnlicheBeziehungengehabt,dienichtaufDauerangelegtwaren – aberdennochrespektiertundgenossenwurden.
»Tut mir leid«, zwang sie sich zu sagen, ihr war hundeübel. »Das habe ich nicht gewollt.« Die Brust war ihr so eng geworden, dass sie kaum noch atmen konnte. »Geht es hier zur Höhle?«, fragte sie und war froh, dass ihre Stimme so ruhig klang und nichts von dem Schmerz verriet, der sich wie ein Embryo in ihrem Kopf zusammengerollt hatte. Denn es war vollkommen
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