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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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das Fenster. Davor warteten frische kühle Nachtluft und ein halsbrecherischer Zehn-Meter-Sturz auf die Kieseinfahrt. Trotzdem würden wir im äußersten Notfall springen müssen – und auf diese Weise womöglich den angenehmeren Tod sterben.
    Trotz der Kälte lief mir der Schweiß übers Gesicht, und meine Hände zitterten, als ich sie auf die Wand legte. Wie schon beim ersten Mal befühlte ich die Oberfläche, hinter der es hohl geklungen hatte.
    Vergeblich. Alles war gleichmäßig glatt.
    Ich wandte mich der Ecke zu und betastete die Kante von oben bis unten. Aus einer Eingebung heraus wandte ich mich der angrenzenden Wand zu. Vielleicht befand sich hier ein Hebel oder eine Tür. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und reckte mich, so hoch ich konnte. Nichts. Ich bückte mich. Wieder nichts. Ich drückte und presste. Ich schubste. So arbeitete ich mich zur Fensternische. Hatte aber kein Glück.
    Als ich mich kurz umdrehte, stellte ich fest, dass wenigstens unsere Strategie einige Wirkung hatte. George und Lockwood hieben in einander entgegengesetzten Zimmerecken um sich und machten ihrer Angst mit Kriegsgeschrei, Pfiffen und wüsten Beschimpfungen des Besuchers Luft. Die Blutpfütze auf dem Boden reagierte darauf mit immer neuen Seitenarmen und auch an der Decke schlängelten sich wahre Blutflüsse um den Kronleuchter herum und auf meine Kollegen zu.
    Doch auch mich hatte der Geist nicht vergessen. Voller Entsetzen sah ich, dass ein breites Blutrinnsal schon fast bis an meine Füße reichte. Über mir hatte sich von dem ursprünglichen Fleck ein Seitenarm abgezweigt, der zu mir herüberwuchs. Von diesem Seitenarm tropfte ein dunkles, stetiges Rinnsal. Schwärzliche Flecken besprenkelten die Dielen neben meinen Schuhen. Einer traf meinen Absatz. Es zischte, ein dünner weißer Rauchfaden wand sich empor, und ich rettete mich mit einem Sprung auf das breite Fensterbrett.
    Mist. Wenn ich hier oben sitzen blieb, saß ich in der Fensternische in der Falle. Ich drehte mich um, ging in die Hocke, weil ich wieder herunterspringen wollte – und streifte dabei mit der Hand den zurückgeklappten Fensterladen. Ich schaute hinüber. Und in diesem verzweifelten Augenblick hatte ich endlich die entscheidende Eingebung.
    Ich richtete meine Taschenlampe auf den Fensterladen. Er bestand aus einer einzigen Holzplatte und war beinahe so hoch und breit wie die ganze Nische. Große schwarze Angeln verankerten ihn im Mauerwerk. Wenn man ihn zuklappte, würde er die gesamte Fensterscheibe verdecken.
    Und dabei vielleicht etwas anderes freigeben?
    Ich griff nach der Holzplatte und versuchte, sie in meine Richtung zu ziehen. Ich wollte dahinterschauen. Sie gab ein wenig nach, und ich merkte, dass sich der Laden bewegte. Im Schein meiner Lampe erkannte ich, dass dahinter ein schmaler Spalt entstanden war, gerade breit genug, um die Finger hineinzuzwängen. Vielleicht befand sich dort wirklich nur Mauer, vielleicht handelte es sich tatsächlich nur um einen Fensterladen, vielleicht aber auch …
    »George, Lockwood!«, rief ich über die Schulter, an einem Strom aus Blut vorbei, der sich von der Decke ergoss. »Hier ist was! Ihr müsst mir helfen!«
    Wie von Sinnen zog und zerrte ich an der Holzplatte, aber sie rührte sich keinen Millimeter mehr.
    Dann wurde ich beinahe umgeschubst, als Lockwood mit einem Satz in die Fensternische sprang. Die Blutpfütze bedeckte mittlerweile fast den ganzen Fußboden. Lockwood musste sich eng an die Mauer drücken.
    George folgte ihm auf den Fersen und hielt seinen Degen dabei über den Kopf. Tropfen verdampften zischend auf der Klinge, als er neben uns landete. Keiner sprach ein Wort. George überließ mir seinen Degen. Lockwood und er zogen mit vereinten Kräften an der Holzplatte.
    Ich drehte mich zum Zimmer um und hielt den Degen wie einen Schild über uns drei, auch wenn das vermutlich nicht viel brachte.
    Der Blutplacken an der Decke reichte nun fast von Wand zu Wand, nur in unserer Ecke gab es noch eine kleine freie Fläche.
    Überall pladderten brausend Ströme aus Blut herunter, fegten durch den Raum wie Regenböen bei einem Gewitter. Der Boden schwamm in Blut. Es sammelte sich zwischen den Dielen und schwappte gegen die Scheuerleisten. Der Kronleuchter triefte, die geschliffenen Glasanhänger funkelten rot. Jetzt war klar, woher das Zimmer seinen Namen hatte, und auch, warum hier keine Möbel standen.
    George keuchte, Lockwood stieß einen Schrei aus. Beide kippten rückwärts und fielen

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