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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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schwarz und klaffend wie ein offener Rachen. Das Licht der Kerzen reichte nicht weit. George machte kurz seine Taschenlampe an und beleuchtete einen zweiten Gang, breiter und höher als der, aus dem wir kamen.
    Lockwoods Prophezeiung bezüglich der Temperatur bewahrheitete sich. Ich nahm die Kälte zum ersten Mal richtig wahr, holte meine Mütze heraus und zog den Reißverschluss meiner Jacke ganz hoch. Die anderen taten es mir gleich. Ich musterte derweil Lockwood, dessen Weigerung, über Fairfax und die Tür zum Roten Zimmer zu reden, mich irritierte. Wieder einmal behielt er seine Gedanken für sich und weihte uns nicht ein. So ging das seit Tagen – im Grunde seit Fairfax’ erstem Anruf. Vielleicht sogar seit dem Einbruch … oder etwa schon, seit wir die Halskette entdeckt hatten?
    Unwillkürlich fasste ich an meinen Hals und überprüfte die Kordel. Unter meiner Jacke lag das Silberglas hart und kalt auf meiner Brust. Ich überlegte, ob es wohl wieder fluoreszierte, weil der Geist leuchtete. Jedenfalls war er vorerst gut aufgehoben. Annie Ward war gerade nicht unsere größte Sorge.
    Lockwood zog Handschuhe an und George setzte seine hässliche grüne Pudelmütze auf. Dann marschierten wir weiter, Lockwood vorneweg. Er hielt seine Kerze in die Höhe, sodass man die Spinnweben im Luftzug tanzen sah.
    Aber schon nach ein paar Schritten ließ George uns anhalten. Er deutete auf die Wand rechts von sich, wo inmitten der grob behauenen Steine ein Ziegelbogen zu erkennen war. »Das muss der alte Eingang zum Roten Zimmer sein. Als das Haus wieder aufgebaut wurde, wurde er zugemauert. Das heißt, dieser Gang hier gehört noch zu dem ursprünglichen Kloster.«
    »Sehr schön«, sagte Lockwood. »Werfen wir doch mal einen Blick auf die Karte. Dann sehen wir, wo …«
    Sein Kopf fuhr herum. Die Kerzenflamme flackerte und drohte zu erlöschen. Wir spürten es alle drei … den Luftzug, der einen nahenden Besucher begleitet.
    Wir warteten mit gezückten Degen.
    Dann stand wie aus dem Boden gewachsen ein Junge vor uns in der Dunkelheit. Seine Gestalt leuchtete schwach. Es war schwer zu beurteilen, wie weit er weg war und ob er auf dem Boden stand oder ein Stück darüberschwebte. Das Anderlicht erhellte nur ihn selbst, sonst nichts. Als ich lauschte, glaubte ich, ein leises Schluchzen zu hören, aber der Junge blickte so ausdruckslos wie die meisten Erscheinungen.
    »Seht euch die Klamotten an!«, zischelte Lockwood.
    Der Junge war ziemlich jung, noch nicht mal so alt wie ich, schätzte ich. Er war blond und stämmig und hatte ein rundes, weiches Gesicht. Hätte man George ordentlich geschrubbt und in saubere, gebügelte Kleidung gesteckt, hätten die beiden Cousins sein können. Der Junge trug eine dunkle Hose und eine lange graue Jacke, die ihm ein bisschen zu weit war. Ich kenne mich zwar mit Mode nicht besonders gut aus, aber man sah am Schnitt, dass die Sachen jahrzehntealt waren. Aber im Prinzip war die Uniform noch die gleiche, ebenso wie der nach italienischem Vorbild gestaltete Degenknauf.
    »Oh mein Gott«, entfuhr es mir, »das ist der Junge von Fittes, der hier drin gestorben ist!«
    Das Schluchzen wurde lauter. Die Erscheinung flackerte, wandte sich dann ab und schwebte den Gang hinunter.
    Dann war nichts mehr zu sehen und zu hören. Alles lag wieder dunkel und still, es roch nur noch ein bisschen faulig. Die Kerzenflammen brannten wieder hell. Wir holten alle drei gleichzeitig Luft.
    »Ich könnte jetzt echt ein Pfefferminz gebrauchen«, verkündete George.
    »Hat er was zu dir gesagt, Lucy?«, fragte Lockwood.
    »Nein. Aber er wollte uns etwas mitteilen.«
    »Es ist doch immer dasselbe mit den Besuchern! Nie sagen sie mal klipp und klar, was sie eigentlich wollen. Vermutlich wollte er uns warnen, aber wir müssen trotzdem weitergehen. Uns bleibt keine Wahl.«
    Wir gingen weiter, aber langsamer als vorher. Nach nicht mal drei Metern, ungefähr dort, wo wir die Erscheinung erblickt hatten, kamen wir an einen Durchgang. Dahinter war eine Treppe.
    Es war eine Wendeltreppe, die in engen Windungen steil nach unten führte. Der Durchgang war mit kleineren Steinen eingefasst.
    »Vier Grad Celsius«, meldete George beiläufig. Die fluoreszierende Anzeige seines Thermometers ließ seine Brillengläser aufblinken und färbte seine Atemwolken grünlich.
    »Dann müssen wir wohl da runter«, sagte Lockwood. »War die Treppe auch schon auf dem mittelalterlichen Grundriss eingezeichnet?«
    »Weiß ich nicht mehr … obwohl

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