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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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ging nicht darauf ein. Er warf das Anwaltsschreiben auf die Kommode und erblickte dabei das mit dem gepunkteten Tuch verhüllte Geisterglas. Stirnrunzelnd zog er das Tuch weg, beugte sich vor und spähte in den gelblichen Dunst. »Und was haben wir hier für eine Scheußlichkeit, die schon längst ins Feuer gehört hätte?« Er klopfte mit dem Fingernagel an die Glaswand.
    »Äh … das würde ich an Ihrer Stelle lieber bleiben lassen«, sagte Lockwood.
    »Wieso denn?«
    Gelbes Plasma wallte auf und das Gesicht des Geistes materialisierte sich vor Barnes’ Nase. Der Geist ließ seine Augen herausquellen, als säßen sie auf Stielen, und riss den Mund weit auf, sodass man ein wahres Alpenpanorama schartiger Zähne sah. Dazu vollführte die Zunge die unwahrscheinlichsten Verrenkungen.
    Ich konnte nicht beurteilen, wie viel von diesem Schreckbild der Inspektor tatsächlich erkennen konnte, jedenfalls stieß er einen Schrei aus wie ein Brüllaffe und machte einen Riesensatz rückwärts. Dabei riss er abwehrend die Hände hoch und kippte sich den heißen Tee über Gesicht und Brust. Die Tasse landete klirrend auf dem Fußboden.
    »Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du das Glas nicht mit hochbringen sollst, George?«, sagte Lockwood freundlich.
    »’tschuldigung. Hab’s vergessen.«
    »Verantwortungsloses Pack!«, fluchte Barnes. »Was in aller Welt ist das für ein Ungeheuer?«
    »Ganz sicher sind wir nicht«, sagte George, »aber höchstwahrscheinlich handelt es sich um einen Wiedergänger. Sie hätten sich nicht so drüberbeugen sollen. Er erschrickt leicht angesichts grotesker Gestalten.«
    Der Inspektor hatte eine Serviette vom Teetablett genommen und tupfte sich ab. »Genau davon rede ich die ganze Zeit«, sagte er mit finsterer Miene. »Solche Artefakte haben in Privatbesitz nichts zu suchen. Sie müssen in einer dafür ausgestatteten Einrichtung sicher verwahrt und bewacht werden – oder man vernichtet sie, was die noch bessere Lösung ist. Stellen Sie sich vor, der Geist entwischt Ihnen? Oder ein neugieriges Kind schaut in das Glas? Ich konnte kaum etwas erkennen und bin trotzdem schon zu Tode erschrocken. Und so etwas steht bei Ihnen zu Hause auf der Kommode!« Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Wie schon gesagt, Sie betrachten das Ganze offensichtlich als Spiel, Mr Lockwood. Aber wie dem auch sei, lesen Sie das Schreiben und überlegen Sie sich, was Sie tun wollen. Sie haben vier Wochen Zeit, keinen Tag länger. Vier Wochen. Sechzigtausend Pfund. Sie brauchen mich nicht zur Tür zu bringen. Ich finde allein hinaus, falls mich in der Diele kein Ghul frisst!«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und marschierte aus dem Zimmer. Wir warteten, bis die Haustür zuschlug.
    »Uff. Das war aber mal eine anstrengende Teestunde«, sagte Lockwood. »Nur gegen Ende wurde der Inspektor zum Glück ein bisschen lockerer.«
    George kicherte in sich hinein. »Habt ihr sein Gesicht gesehen?«
    »Und wie er rumgehüpft ist!«, erwiderte ich lachend.
    »Er hat sich fast in die Hosen gemacht!«
    »Das war echt super.«
    »Superlustig.«
    »Und ob.«
    Unser Gelächter verebbte. Es wurde still. Wir schauten einander nicht an.
    »Kannst du die Entschädigung für die Hopes bezahlen?«, fragte ich nach einer Weile des Schweigens.
    Lockwood holte tief Luft. Es schien ihm wehzutun, denn er fuhr sich mit der Hand über die Rippen. »Kurz gesagt: nein. Ich besitze zwar ein Haus, aber ich habe nicht viel Geld auf dem Konto. Jedenfalls nicht genug, um das Haus der Hopes wieder aufzubauen. Ich könnte nur dieses Haus hier verkaufen, und das wäre der Untergang unserer Agentur, wie Barnes nur zu gut weiß …« Einen Augenblick wirkte er in seinem Sessel schmal und hilflos. Dann war es, als würde ein Schalter umgelegt, und er war wieder der Alte. Er lächelte uns ein wenig schief, aber strahlend an. »Aber so weit muss es ja nicht kommen, oder? Wir haben vier Wochen Zeit! In vier Wochen kann man eine Menge Kohle verdienen. Wir brauchen jetzt einen richtig hochkarätigen Auftrag, der uns bekannt macht und den Stein ins Rollen bringt.« Er deutete auf das schwarze Buch auf dem Sofatisch. »Schluss mit den kümmerlichen Schemen und Lauerern! Mit solchen Fällen kann man sich keinen Namen machen. Wir … wir überlegen uns morgen, wie wir vorgehen. Danke, George, ich möchte keinen Tee mehr. Ich bin müde. Wenn ihr nichts dagegen habt, gehe ich schlafen.«
    Er wünschte uns eine gute Nacht und ging hinaus. George und ich blieben

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