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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Fairfax’ Foto. Das Gras wucherte und das Seeufer war mit struppigem Schilf beinahe zugewachsen. Aus dem Fenster auf Georges Seite erspähte ich einen mächtigen Baumstamm mit borkiger Rinde, zwei Sockel mit riesigen Steinurnen und ein Stück graue Fassade.
    Lockwood unterhielt sich noch mit dem Fahrer. Ich stieg aus und half George mit dem Gepäck. Combe Carey Hall ragte abweisend vor uns auf. Die Luft war klamm und kalt.
    Hoch über uns bohrten sich die hohen Schornsteine auf dem Dach wie Hörner in die Wolken. Wir standen vor dem linken Abschnitt des Herrenhauses, also vermutlich dem ältesten Teil, dem Westflügel. Die alten Steinmauern waren teilweise noch erhalten und nach oben hin mit Ziegeln ergänzt worden. Es gab zahllose Fenster aller Größen und auf unterschiedlicher Höhe, in deren Scheiben sich der graue Novemberhimmel spiegelte. Geborstene Säulen stützten ein hässliches Vordach aus Beton über der doppelflügligen Eingangstür, die man über einige geschwungene Stufen erreichte. Am Ende des Gebäudeflügels stand eine riesige uralte Esche. Ihre knochenbleichen Äste drückten sich wie gigantische Spinnenbeine gegen die Mauern.
    Rechts der Eingangstreppe schloss sich der kleinere Ostflügel an. Er war ganz aus Ziegeln erbaut und erkennbar neueren Datums. Aufgrund eines Planungsfehlers standen die beiden Flügel schräg zueinander, sodass es wirkte, als strecke sich das ganze Haus heimlich und wolle mich gefangen nehmen. Es war ein hässliches, bedrückendes zusammengewürfeltes Monster von einem Gebäude und hätte mich auch dann abgestoßen, wenn ich nichts über seine Geschichte gewusst hätte.
    »Zauberhaft!«, sagte Lockwood munter. »Unsere Unterkunft für die Nacht.« Er hatte erstaunlich lange angeregt mit dem Fahrer geplaudert. Jetzt überreichte er dem jungen Mann ein Bündel Scheine – eindeutig mehr als zwölf Pfund fünfzig – sowie einen verschlossenen braunen Umschlag.
    »Würden Sie den bitte abliefern? Es ist wichtig.«
    Der junge Mann nickte. Dann brauste das Taxi in einem Hagelschauer aus aufspritzenden Kieselsteinen röhrend davon und hinterließ eine Duftfahne aus Angstschweiß und Benzingestank. Im gleichen Augenblick kam ein älterer Mann die Vortreppe herunter.
    »Was sollte das denn?«, fragte ich.
    »Ach, ich hatte nur vergessen, den Brief einzuwerfen. Ich erklär’s dir später.«
    »Schh!«, machte George. »Das ist bestimmt der alte Starkins. Alt ist gar kein Ausdruck, was?«
    Der Verwalter war in der Tat ein greisenhaftes, vertrocknetes Wesen, dem die Zeit längst alle Frische und allen Lebenssaft entzogen hatte. Unser Auftraggeber Mr Fairfax wirkte trotz seiner Gebrechlichkeit immer noch kraftvoll und unbeugsam, sein Verwalter dagegen ähnelte eher der Esche neben dem Haus: knorrig und verwachsen, aber sich beharrlich ans Leben klammernd. Er hatte dichtes weißgraues Haar und ein schmales Gesicht, das sich beim Näherkommen als ein Netzwerk aus tiefen Falten entpuppte und an Risse in gesprungenen Sandsteinfliesen erinnerte. Seine Kleidung zeugte von trauriger Förmlichkeit: Er trug einen altmodischen schwarz samtenen Gehrock, aus dessen Ärmeln bleiche, mit Altersflecken übersäte magere Hände ragten. Auch die Beine in der Nadelstreifenhose waren unglaublich dünn und seine Schuhe so lang und spitz wie seine Nase.
    Er blieb stehen und musterte uns mit trübseligem Blick. »Willkommen in Combe Carey. Mr Fairfax erwartet Sie bereits, aber er ist momentan nicht abkömmlich. Er wird Sie aber gleich empfangen und hat mich gebeten, Ihnen in der Zwischenzeit das Anwesen und das Haus zu zeigen.« Seine Stimme klang spröde wie das Rascheln belaubter Weidenruten.
    »Vielen Dank«, sagte Lockwood. »Sind Sie Mr Starkins?«
    »Der bin ich. Ich kümmere mich seit nunmehr dreiundfünfzig Jahren um dieses Haus, also länger als mein halbes Leben. Ich könnte Ihnen Sachen erzählen … Kann ruhig jeder wissen.«
    »Ich, ähm … sicher doch. Das ist ausgezeichnet. Wo können wir unser Gepäck abstellen?«
    »Lassen Sie’s einfach hier. Wer soll das Zeug schon klauen? Die Bewohner des Hauses jedenfalls nicht, die regen sich nicht vor Sonnenuntergang. Kommen Sie. Ich zeige Ihnen den Park.«
    Lockwood bremste ihn. »Entschuldigung, aber wir haben eine lange Fahrt hinter uns. Gibt es … gibt es hier irgendwo eine Waschgelegenheit?«
    Die Falten wurden noch tiefer, sodass die Augen des Alten beinahe darin verschwanden. »Da müssen Sie sich gedulden, junger Mann. Ich soll Sie noch

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