Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
Vom Netzwerk:
immer noch umkehren.
    »Na, nervös?«, fragte Bert Starkins, der mit einer Tasche auf dem Arm an mir vorbeischlurfte. »Die Kleine von Fittes hatte vor dreißig Jahren auch Muffensausen. Ich könnt’s Ihnen nicht verdenken, wenn Sie sich verdrücken.« Er beobachtete mich mit mürrischem Mitgefühl.
    Seine Worte brachen den Bann. Meine Lähmung war gewichen. Ich schüttelte meinen benommenen Kopf. Langsam und wie aufgezogen trat ich über die Schwelle, durchquerte die eiskalte Eingangshalle und bog in die Lange Galerie ab.
    Die Galerie besaß eine Art düstere Schönheit und war auf der ganzen imposanten Länge gesäumt von zahllosen Sprossenfenstern, die sie erhellten. Der Raum stammte erkennbar aus derselben Zeit wie die Eingangshalle: die gleichen weiß getünchten Wände, die gleiche gewölbte, mit Figuren geschmückte Eichendecke, reihenweise altersbraune Ölgemälde. In einem riesigen Kamin prasselte ein Feuer. Die hintere Wand war von einem verblichenen Wandteppich bedeckt. Darauf war eine kuriose mythologische Szene dargestellt, zu der sechs dicke Engelchen, drei füllige halb nackte Frauen und ein zwielichtig aussehender Bär gehörten. Neben dem Kamin stand ein Tisch, der von den Angestellten gerade eingedeckt wurde.
    George hatte sich bereits ein Törtchen geschnappt und betrachtete mampfend den Wandteppich. »Lecker«, nuschelte er. »Versuch mal die mit Vanillepudding.«
    »Gleich. Ich muss erst mit Lockwood reden.«
    »Gutes Timing. Da kommt er.«
    Lockwood und Fairfax kamen aus der Eingangshalle herein. Lockwood gesellte sich zu uns. Seine Miene war beherrscht, aber seine Augen leuchteten.
    »Hast du die Atmosphäre hier im Haus gespürt?«, fing ich an. »Wir …«
    Er ließ mich gar nicht ausreden. »Wisst ihr, was? Die haben unsere Taschen durchsucht.«
    »Was?!«, riefen George und ich wie aus einem Mund.
    »Während ihr mit Starkins draußen wart, hat Fairfax sein Personal angewiesen, unser Gepäck zu überprüfen. Er wollte ganz sichergehen, dass wir kein Griechisches Feuer dabeihaben.«
    George stieß einen empörten Pfiff aus. »Das darf er nicht!«
    »Weiß ich. Schließlich haben wir ihm unser Wort gegeben.«
    Fairfax stand vor dem Teetisch und wies einen seiner Angestellten zurecht, der irgendetwas falsch gemacht hatte. Er fuchtelte mit dem Arm und stampfte mit dem Stock auf.
    »Und woher weißt du das?«, fragte ich mit gesenkter Stimme.
    »Er hat es mir selbst gesagt. Gleich nachdem ich mit der Bank telefoniert hatte. Es war ihm überhaupt nicht peinlich! Er meinte, das hätte er bei jedem gemacht. Weil das Haus ein Baudenkmal ist und voller antiker Möbel, blablabla. In Wirklichkeit wollte er mir klarmachen: mein Haus, meine Spielregeln . Entweder wir spielen danach oder gar nicht.«
    »An der ganzen Sache war von Anfang an irgendwas faul«, sagte George. »Was soll das? Wir dürfen keine Leuchtbomben mitnehmen, er lässt uns keine Zeit, gründlich zu recherchieren … Und dann schickt er uns in eins der angeblich schlimmsten heimgesuchten Anwesen im ganzen Land und …«
    »Nicht nur angeblich «, unterbrach ich ihn. »Spürt ihr denn nichts? Hier überall?«
    Ich sah meine Kollegen erwartungsvoll an. Lockwood nickte. »Doch. Ich spür’s auch.«
    »Bist du immer noch der Meinung, dass wir …«
    »Mr Lockwood!« Fairfax’ tiefe Stimme hallte durch den lang gestreckten Raum. »Der Tee ist so weit, nehmen Sie doch bitte Platz. Ich möchte Ihnen gern erklären, was Sie heute Abend zu tun haben.«
    Der Kuchen schmeckte gut, der Tee war von Pitkin Brothers und die Wärme und das Knistern des Kaminfeuers vertrieben vorübergehend die unheilvolle Stille. Fairfax setzte sich ebenfalls an den Tisch, beobachtete uns unter schweren Lidern hervor und pries die Vorzüge des Hauses: die mittelalterlichen Gewölbedecken, die Porzellansammlung, die wertvollen Möbel, die seltenen Renaissanceporträts in der Eingangshalle und im Treppenhaus. Er kam auf den exklusiven Weinkeller zu sprechen, der sich direkt unter unseren Füßen befand, auf den mittelalterlichen Kräutergarten, den er wiederherstellen wollte, auf die Ruinen des Klosterkreuzgangs, die im See begraben lagen. Alles, was mit unserem Auftrag zu tun hatte, überging er stillschweigend, bis wir unseren Tee getrunken hatten. Dann schickte er die Angestellten hinaus und redete endlich Klartext.
    »Die Zeit drängt. Starkins und ich würden uns gern verabschieden, bevor es endgültig dunkel wird. Sie haben unzweifelhaft noch Ihre eigenen

Weitere Kostenlose Bücher