Lodernde Begierde
bestmögliche Silhouette erzeugten.
Doch diese Kleider waren Geschenke von Deirdres großzügigem Ehemann Lord Brookhaven. Sogar Tessa hatte an jenem Tag profitiert. Lementeur war kurz aufgetaucht, hatte bei allen vier Frauen mit einem raschen Blick Maß genommen und hatte dann unerklärlicherweise seine ganze Energie auf Sophie gerichtet. Es war nur ein kurzer Augenblick gewesen, der natürlich von Tessa rücksichtslos zerredet worden war, aber in diesem winzigen Moment hatte Sophie die Möglichkeit gesehen, vielleicht eines Tages … irgendwie … eine völlig andere zu sein.
Jetzt war diese Möglichkeit genau das, was sie brauchte.
Ihr Klopfen an der Tür wurde umgehend beantwortet, und Cabot, der attraktive junge Mann, den sie bereits beim letzten Mal gesehen hatte, bat sie in die exklusiven Räumlichkeiten.
»Ist er hier? Ich muss zu ihm.« Die Worte sprudelten aus ihrem Mund. Sie würde flehen, wenn es nötig wäre, sogar betteln.
Cabot deutete auf die Doppeltür am Ende des Flurs. »Er ist in seinem Arbeitszimmer …«
Sophie rannte fast, bevor sie den Mut verlor. Mit einem einzigen Stoß war sie durch die Tür hindurch und stand vor dem großen Modeschöpfer, einem kleinen Mann hinter einem riesigen Schreibtisch, auf dem nichts lag außer Bleistiften und ein paar Zeichnungen.
Sophie leerte ihr Retikül auf die Schreibtischplatte. Ihre Hände zitterten, als die letzte Münze auf die Schreibunterlage rollte.
»Das ist alles, was ich habe. Ihr müsst es annehmen. Ihr habt gesagt, dass … dass …« Sie bekam keine Luft. Wenn es nun alles nur leere Versprechungen gewesen waren? Ein grausamer Witz auf ihre Kosten? Wenn es keine Möglichkeit gäbe, dass sie jemals …
Wie auch immer. Sie konnte ohne die Gewissheit darüber nicht weiterleben. Sie holte tief Luft und richtete sich auf. Dann starrte sie den kleinen, adretten Mann hinter dem Schreibtisch an, der noch immer überrascht und bewegungslos dasaß. »Ihr habt gesagt, ihr könntet eine Schönheit aus mir machen.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das habe ich nicht. Niemand kann eine Schönheit aus Euch machen. «
Die Enttäuschung traf sie tief unterhalb des Herzens, raubte ihr mit ihrer Tiefe die Sinne. Kein Atem. Keine Hoffnung.
Eine Hand ergriff ihre, umklammerte sie, bis sie gezwungen war, die Tränen, die ihr in die Augen getreten waren, wegzublinzeln und Lementeurs scharfen Blick zu erwidern. »Ich habe Euch keine Schönheit versprochen«, sagte er. »Ich sagte, ich könnte dafür sorgen, dass Ihr jede Frau der Londoner Gesellschaft in den Schatten stellt.«
Sophie keuchte schluchzend. »Ihr gebt also zu, dass Ihr gelogen habt?«
Er schüttelte langsam den Kopf, und ein Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. »Meine Liebe, Schönheit hat man von Geburt an oder auch nicht. Hübsche Mädchen gibt es so viele wie Löwenzahn auf der Wiese. Hübsch ist gewöhnlich, einfach, leicht genossen und genauso leicht vergessen. Stil jedoch – Eleganz, Präsenz, vollkommen unvergesslich zu sein –, das habe ich Euch versprochen. Mit Eurem Knochenbau und meinen Kleidern – und einigen Übungsstunden in Haltung, denn ihr haltet Euch fürchterlich – werdet Ihr London im Sturm erobern.«
Erleichtert entspannte sie sich. »Gr… die Männer werden mich mögen?«
»Die Männer werden sich für Euch duellieren. Sie werden sich nach Euch sehnen. Nach Euch verzehren. Es werden so viele Sonette auf Euch verfasst werden, dass Ihr ihrer überdrüssig sein werdet. Ich werde Eure Größe in Überlegenheit umwandeln, Eure Schlankheit in Eleganz, Eure Schüchternheit und Ungeschicklichkeit in Anmut und Grazie.«
Sie konnte nur schwach lachen über derart lächerliche Versprechungen. Es war unmöglich … aber vielleicht, nur vielleicht, würde sie mit seiner Hilfe attraktiv genug werden, um …
»Reicht das Geld?« Es musste reichen, denn mehr hatte sie nicht.
Lementeur schnaubte und wischte das Geld mit seiner freien Hand vom Tisch. »Hat Leonardo da Vinci sich von Mona Lisa bezahlen lassen?«
Sophie schniefte und wischte sich die Augen. »Also, es war ja eine Auftragsarbeit, also nehme ich an …« Dann ging ihr auf, was er gesagt hatte. »Warum … warum solltet Ihr das tun, ohne entlohnt zu werden?« Sie wich zurück. »Was erwartet Ihr von mir?«
Er tätschelte ihre Hand. »Ich weiß, dass Ihr niemandem traut, Liebes. Es gibt keinen Grund dafür, nicht wahr?« Dann schaute er ihr mit plötzlicher Intensität in die Augen. »Ich glaube, wir
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