Lodernde Begierde
erkennen einander. Außenseiter erkennen sich immer.«
Sophie blinzelte. Der Mann vor ihr, der erfolgreiche, begehrte Modeschöpfer verschwand für einen Augenblick und an seine Stelle trat jemand, der einmal nichts weiter gewesen war als ein Junge … ein Junge, der anders war als andere Jungen.
Er sah die Erkenntnis in ihren Blick treten und lächelte. »Mich dünkt, zu groß, zu dünn, zu gewöhnlich – und vielleicht von Anfang an unerwünscht – zu sein, ist gar nicht so viel anders, als ein armer Cockney-Bursche zu sein, der von nichts anderem träumte als von herrlichen Stoffen und feinster Spitze. Es war für Euch nicht leichter, Verständnis zu finden, als für mich.«
Dann wurde sein Lächeln breiter. »Aber mir hat jemand geholfen. Der Kostümschneider einer wandernden Theatertruppe sah, wie ich die Seidenstoffe an einem Marktstand befühlte. Er hat mich aufgenommen und mir beigebracht zu nähen. Ich habe später versucht, ihn für seine Großzügigkeit zu entlohnen, als könnte ich das jemals, doch er hat mir aufgetragen, ich sollte mir selbst eine verlorene Seele suchen und sie retten. ›Du kannst es nicht zurückzahlen‹, hat er mir gesagt. ›Du kannst es nur weitergeben.‹«
Sophie schüttelte den Kopf. »Aber Ihr habt doch bereits Phoebe und Deirdre geholfen!«
Er lehnte sich mit der Hüfte gegen seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme. »Ich habe mich gut dafür bezahlen lassen.« Er lächelte zuversichtlich. »Meine Arbeit war jeden Penny wert.« Dann legte er den Kopf schief. »Außerdem dachte ich mir, dass Ihr vielleicht, wenn Ihr gesehen hättet, was ich für sie tun konnte, eines Tages zu mir kommen würdet, um mich zu fragen, was ich für Euch tun kann.«
Sie lächelte. »Und vielleicht habt Ihr Lord Brookhaven ein wenig mehr bezahlen lassen, bloß für den Fall des Falles?«
Lementeur lachte und küsste ihre Hand. »Sofia, Ihr seid unbezahlbar.«
»O nein!« Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin bloß Sophie. «
Er nahm ihr Kinn in die Hand und schaute sie plötzlich ein wenig zu ernst an, als dass es angenehm war. Wer war dieser Mann eigentlich? »Meine Liebe, meine Muse, mein Schatz«, sagte er sanft und streng zugleich. »Wenn Ihr noch ein einziges Mal sagt, Ihr wäret ›nur Sophie‹, will ich nichts mehr mit Euch zu tun haben, habt Ihr mich verstanden? Sagt es noch einmal und ich verweigere Euch meine Hilfe.«
Sie blinzelte ihn mit aufgerissenen Augen an. Er war verrückt. Dann meldete sich wieder die Hoffnung. »Verrückt« war vielleicht gerade das, was sie brauchte.
Er ließ sie los und richtete sich auf. »Ihr werdet von diesem Augenblick an weit und breit als ›die umwerfende Miss Sofia Blake‹ bekannt werden. Schön, wir brauchen etwas Zeit und eine Einladung von angemessenem Gewicht und Bedeutung – was ich mit Leichtigkeit arrangieren kann –, und Ihr müsst mir uneingeschränkt zur Verfügung stehen.« Er begutachtete ihre krumme Haltung. »Eine Zeit lang.«
Sophie richtete sich ihrer selbst bewusst auf. »Ich stand nicht immer so da«, murmelte sie. »Ich bin mir nur so groß unter den Londoner Damen vorgekommen.«
Lementeur spitzte die Lippen. »Ihr seid einfach zu höflich, meine Liebe. Ich will Euch etwas sagen: Lady Tessa ist eine weit und breit bekannte Hexe. Niemand mag sie, nicht einmal ihre sogenannten Freunde. Außerdem weiß ich, dass sie immer schon gerne ein wenig größer gewesen wäre. Ich gehe jede Wette ein, dass sie Euch wegen Eurer Statur beneidet.«
Tessa war neidisch? Auf sie? Wie …
Erfreulich.
Sophie erlaubte ihren Lippen, sich zu einem langsamen, ungewohnt zufriedenen Lächeln zu formen, während sie sich zu voller Größe aufrichtete und würdevoll auf Lementeurs Scheitel hinabschaute. »Ist es so besser?«
Er erwiderte ihren Blick, der wie der einer Katze war, die gerade die Sahneschüssel ausgeschleckt hat. Zustimmung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Das ist perfekt. «
Sechstes Kapitel
J ohn Herbert Fortescue war ein freier Mann, Diener keines Herrn … zumindest zurzeit. Seine Dienstherren, der Marquis von Brookhaven und dessen Gattin, besuchten den alten Herzog von Brookmoor. Deshalb konnte Fortescue, der Butler Brookhavens, so tun, als wäre er ein gewöhnlicher Mann, der einen Abend mit einem außergewöhnlichen Mädchen verbrachte.
Wenn die Atmosphäre in seinem Studierzimmer in Brook House eher der eines Klassenzimmers ähnelte, so lag das daran, dass er es auf sich genommen hatte, Miss Patricia
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